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Winckelmann, Johann Joachim; Balensiefen, Lilian; Borbein, Adolf Heinrich [Hrsg.]; Kunze, Max [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz [Hrsg.]; Deutsches Archäologisches Institut [Hrsg.]; Winckelmann-Gesellschaft [Hrsg.]
Schriften und Nachlaß (Band 4,5): Statuenbeschreibungen, Materialien zur "Geschichte der Kunst des Alterthums", Rezensionen — [Mainz am Rhein]: Verlag Philipp von Zabern, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.58927#0027

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Apollo

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Apollo
Entwurf der Beschreibung im Nachlaß Florenz p. 3/190—6/187
[p. 3/190] Der Apollo so die erste Statue zu Linker Hand dieses Hofes, so ehemahls ein Garten gewesen 295
ist, ist der Apollo genannt de Belvedere. Diese Statue ist von der allerwunderbarsten Schönheit so sich
unter denen übergebliebenen antiquen Statuen findet. Sie ist über Lebens-Größe von der allerschönsten
Proportion in ihrer Länge und geschlancke Glieder. In dieser Figur sieht man eine außerordentliche
Regung: denn sie ist in Gr[oß]h[eit] gebildet, und scheinet als solte sie vorstellen den Apollo wie er den
Python erleget in eben der Zeit da er den Bogen abgeschoßen und davon gehen w[ür]de. Es scheinet als
sähe man eine hochmüthige halb erzürnete und verachtende Mine in seinem Gesicht. Der Character
des gantzen Kopf ist über die maßen schön: die Stirn ist wie des Jupiters Stirn, so sind auch die Augen:
die Nase aber ist dünner und spitzer, dennoch bey den Nüsten ist sie breit und selbige sind gleichsam
aufgeblasen. Der Mund ist an beyden Enden herabgezogen; Beyde Seiten der Ober-Lefzen sind in die
Höhe gebogen und folgen damit gleichsam den aufgeblasenen Nüsten nach. Die Unterlippe aber ist
vorwerts und etwas herabhängend. Das Kinn gehet gleichsam ein wenig hervor: die Kinnbacken sind
nach dem Griechischen Gebrauch groß. Die Backen flach, die Ohren etwas tief, aber größer als <sie>
insgemein der Antiquen Gebrauch ist, wiewohl man von selben nur die Unterhälfte siehet. Die Haar-
Locken spielen über alle maßen schön um das Haupt herum, und sind herrlich hin und her geworfen,
obschon dieselben nicht mit dem grösten Fleiß ausgemacht, so <sehen> kommen sie nach Bildhauer-Art
den Haaren des Corregio nahe.
(Diese Art die Haare zu arbeiten ist von dem <best> Gebrauch der besten Zeiten der Griechen. Denn
in den ältesten waren s[ie] [sie] sehr kleinlich steif und gleichsam machten sie ihre Haare, als wären
sie naß auf Art der Egypter und Hetrurier. (Siehe das bas-relief vom Callimacho im Campidoglio.) In 866
Phidias und Alexanders] Zeiten aber ist dieser Gebrauch der Weichigkeit geübt worden. Unter der
Römischen Kayser Zeiten ist diese Art wieder verlaßen worden. Von Nero bis Trajfans] Zeiten ist man
gleichfals wieder ein wenig in den aller ersten Gusto gefallen, da die Kunst aber noch niedriger kommen,
so sind die Künstler in solchen geringen Sachen fleißiger und in den größeren nachläßiger worden.
Darum haben wir von Marc Aurelio bis Septim Severo und Caracalla die fleißigsten Haare.)
[p. 4/89] <s. das busto der Diana über der Thür des großen Saals im Campidoglio> Der Hals dieser
Figur ist sehr lang, hingegen aber auch starck und schön. Es ist von unterschiedlichen Künstlern getadelt
worden, daß der Hals nicht grade auf dem Cörper stünde. Dieses [mu]ß m[an] ab [er] denenselben ihrer
Unschuld zu gute halten. Denn sie haben nie die Natur in diesem Stand gesehen, sonst würden sie dieses
nicht sagen, weil auch im lebendigen Menschen es denselben effect macht, wenn ein Arm erhoben und
der andere herab hangend ist; aus der Ursach, weil der Musculus pectoralis sich auswerts ziehet, indem
s[elbiger] im humerus sich einfügt, und also dadurch die Brust auf der Seite des erhobenen Armes breiter
scheinen macht. Ich finde diese Statue in diesem Theil sehr correct. Die Länge des Halses giebt der Figur

22—29 Diese Art... fleißigsten Haare, nachträglich mit Eckklammern versehen 24 eingeklammerter Text nachgetragen
 
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