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Winckelmann, Johann Joachim; Balensiefen, Lilian; Borbein, Adolf Heinrich [Editor]; Kunze, Max [Editor]; Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz [Editor]; Deutsches Archäologisches Institut [Editor]; Winckelmann-Gesellschaft [Editor]
Schriften und Nachlaß (Band 4,5): Statuenbeschreibungen, Materialien zur "Geschichte der Kunst des Alterthums", Rezensionen — [Mainz am Rhein]: Verlag Philipp von Zabern, 2012

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.58927#0063

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Sogenannte Cleopatra

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Sogenannte Cleopatra
Entwurf der Beschreibung im Nachlaß Florenz p. 1/192—2/191
[p. 1/192] Die erste Statue in diesem Ort, so man Torre di Vento oder Belvedfere] nennet ist die so- 528
genannte Cleopatra welche über einer Wasser Kunst lieget in einer [einem] < Nische > Hohl=Bogen.
Diese Figur ist über Lebensgröße [,] beldeidet mit einem leichten Unterkleide, so ohne Ermel und bis
auf die Füße herabliegt und über dieses noch ein Gewand. Sie stüzt sich mit dem linken Arm unter
den Kopf und den rechten Arm leget sie weichlich über den Kopf. Sie schlägt <...> das rechte Bein
über das linke. Die gantze Gestalt der Figur ist sehr schön. Der Kopf aber ist nicht von den schönsten
des Alterthums, ob schon von dem wahren großen Character, so ist er doch etwas schief. Man spüret
in dem Gesicht nichts anderes als eine große Gelassenheit, wiewohl ein wenig traurig, welches denen
antiquen Frauen Köpfen fast ihr allgemeiner Charakter ist[,] wird aber in diesem noch vermehret durch
die fast zugeschlossenen Augen. Die Arme und Hände sind nicht sonderlich schön: Die Gewänder sind
von großen Leuten vor schön gehalten worden, sie sind sehr natürlich aber von kleinen Falten ohne
sonderliche Ausarbeitung. Raphael hat sich der Gewänder dieser Figur gebraucht in dem Parnaß zu
einer Muse so neben dem Apollo sitzet, und in die Friese seiner Tapeten von der AposteUGeschichte
stat[t] einer [?] Nymphe. Sie ist zur selben Zeit von Marco Antonio in Kupfer ausgegangen, dahero wir
ersehen können daß sie in selber Zeit groß geachtet worden. Vielleicht weil nicht viel bekleidete Figuren
noch gefunden gewesen. Diese Figur scheint gewißlich Römische Arbeit zu seyn; doch aber nicht von
den ältesten, wenn es eine Cleopatra seyn solte, <...> so ist es zu verwundern, daß sie cmit bloßen> nur
mit Sohlen=Schuhen gebildet, und hat in diesem Stück vielmehr die Art wie die göttlichen Figuren.
Sie hat kein Diadem [und] Halsband. Das Armband so in der Form von Schlangen ist, wäre ein Zeichen
einer großen Einfalt des Künstlers wenn es die Schlange der Cleopatra vorstellen solte, weil erst [lieh]
keine Proportion in der Dicke und Länge wäre weil diese Schlange nach Proportion der Figur nicht
einem halben Finger dick und vierdtehalb Kopf lang seyn müße um 2 Umkreise des Arms und noch
mehr übrig auszumachen. Uber dieses so wäre sehr einfältig selbige gerade quer über den Arm zu führen
und eine solche symmetrische Endigung an derselben zu machen, weil der Kopf und der Schwanz von
gleicher Länge auf beyden Seiten ausgehen. Aber dieses nicht an einem Orte stehet wo man muthmaßen
kann nach den Beschreibungen daß sie von derselben verletzt worden. Wäre diese Statue eine Cleopatra
so wäre auch dieser Stand und Lage gantz ungereimt den Character und diese [p. 2/191] Art Tod auszu-
bilden, weil nicht möglich [ist] eine ruhigere und gelassenere Stellung zu erfinden. Der Arm so über dem

6 Zusatz an den inneren Rand geschrieben: Die Cleopatra scheinet von als dem gusto zu seyn wie die Statue im Cortile von der
Villa Medici 17 der Gewänder nachgetragen 7.9stat[t] einer Nymphe nachgetragen 20—21 Vielleicht... gewesen nachgetragen
24Halsband nachgetragen 26der Figur nachgetragen 28 selbige ... führen und nachgetragen mit Verweiszeichen bei einfältig
 
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