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- 815

Militärische Physiognomien. ZE

Welches Gesicht macht der deutsche Michel bei einer Dienstzeit von

drei Jahren?

zwei Jahren?

einem Jahre?

Der Boykott.

Es war einmal ein Gastwirth
Bon patriotischem Sinn,

Dem brachten die Arbeitergroschen
Mel klingenden Gewinn.

Des Sonntags wogte im Saale
Der Tanz nach altem Brauch,

Da strich der Wirth vor Vergnügen
Den dicken, behäbigen Bauch.

So ging cs viele Jahre,

Sein Beutel ward voll und schtver —

Da nahte das Berhängniß
Und strafte den Guten sehr.

Es traten zu ihm die Rothen —

Wie schauderte ihm die Haut —

Und meinten, daß zur Versammlung
Sein Saal recht gut gebaut.

Er wies sie höhnisch von hinnen:

Am Sonntag aber, o Schreck,

Da blieben vom fröhlichen Tanze
Die Burschen und Mädchen weg.

Bald war die Halle verödet,

Die fröhlichen Weisen ruhn,

Der Wirth und die Musikanten,

Sic bliesen Trübsal nun.

Und als nach wenig Wochen
Er vorm Bankrotte stand,

Und als mit seinen Thalern
Sein feistes Bäuchlein schwand —

Da war sein Stolz gebrochen,

Er kroch zu Kreuze gern
Und neigte sich vor den Rothe»,

Als seien es „feine Herrn".

Vom früheren protzigen Wesen
War fürder keine Spur —

Ja, ja, der Patriotismus
gleicht oft bis zum Beutel nur!

Der Aefthetiker.

Prinzipal: Maier, Se sind aber auch ßn
gar nix ßn gebrauchen! Im höchsten Fall, daß Se
die Briefmarken aufkleben können, und das thnn
Se — ohne jede Spur von Kunstsinn!

Das Resultat.

Oberst Schneidig: Ich habe mich viel mit
der sozialen Frage beschäftigt und bin endlich zu
einem Resultat gekommen.

vr. Leidig: Ah, sehr interessant.

Schneidig: Wenn man der Sozialdemokratie
keine Konzessionen macht, Hab' ich gefunden, so
wächst sie stetig.

Leidig: Hm!

Schneidig: Und wenn man ihr Konzessionen
macht, sagte der Fürst Bismarck, so wächst sic auch
stetig.

Leidig: Fürst Bismarck hat immer Recht.
Aber zu welchem Resultate sind Sie nun gekommen?

Schneidig: Verdammte Geschichte!

Wenn da nur ein Schockschwercnoths-
himmelkreuzdonnerwetter hinein schlüge!

Freisinniger Hahnenschrei.

Es waren die Tage der Reichstagswahl,

Da krähte der Hänel zum ersten Mal.

Er krähte so laut, er krähte so hell,

Er krähte gegen das böse Kartell.

Dann kamen die Tage der engeren Wahl,
Da krähte der Hänel zum zweiten Mal.

Er krähte so laut sein Kickeriki!

Sein: Tod der Sozialdemokratie!

Drauf kamen die Tage nach der Wahl,

Da krähte der Hänel zum dritten Mal.

Wie klang jetzt so kräftig sein Siegesgeschrei;
Er krähte ein Loblied der Ordnungspartei.

Dann scharrte er wieder ans seinem Mist
Und wurde balde ein Kartellist.

Allernnderdhänigste Bidde

der Lina Bradfann, Köchin bei'n Reichstags-
abgeordneden *** an den großmächdigen Äeichs-
ganzler Kabrifi.

Weil nämlich mci Herr neilich sagde, daß Sie
ä viel sreindlichercr nn zugänglicherer Herr sein,

als ihr Vorgänger, erdreisten wir uns underdhänigst,
an Sie änne Bidde zu richden. Mei Herr sagde
nämlich ooch noch, daß Sie in Reichsdagc sollen
änne Dhräne vergossen haben wegen uns armen
Göchinncn, weil de Soldaten vor lauder Dienst gar
geene Zeid »ich mehr häddcn, und uns ä Verhäld-
niß anzugnipfen. Wir ersehen dadraus zu unserer
grecßden Freide, daß Sie ä gefiehlvollcr alder Jung-
geselle sin un besser als der Herr Kricgsminister
wissen, wo nnsern Herz der Schuh drickd.

Lieber Herr Gabrifi! Sie haben gar geene» Be-
griff »ich, wie das Herz änner armen Göchin an
so ä scheenen Sonndagnachmiddag vcrschmachded,
wenn s« ganz alleene oder blos mid Eenen von'»
Zifil schbazieren gehen muß, der scheenste Reiz iö
von'» Göchinnenleben abgeschdreefd. Ä glcener Drost
is es für uns, daß schon Schiller in Gohlis (ach!
Gohlis! wie war's da scheene mid so 8 Gefreiten!)
daß also schon Schiller sagd, daß es schwer is, gegen
den Schdachcl zu lecken, nn der beriehmte alde Fritz
dichdede ebenso göddlich: Un mid des Geschickes
Mächden is gec ew'ger Zopf zu flechden!

Un deswegen underbrecden wir Ihnen ännen
Vorschlag zur geneigdesten Bcricksichdigung. Mei
Herr had nämlich ooch noch gesagd, daß nächstens
alle Zifilisten in'n Gommisrock geschdcckt werden
sollen, womid wir eegentlich zufrieden sin genndcn
— wenn nur der schdrcnge Dienst nich wäre!

Da had nn de Luwise (se is bei Schulzens in
Dienst) gesagd, tvir wollen den Herrn Reichsganzlcr
bidde», er soll ooch dichdige un gesunde Mädchen
zum Felddicnst ansbilden lassen, denn wenn nn
eemal alle Mannsleide Soldaden sin, was soll denn
aus uns un der Nachlveld werden?

Also, lieber Herr Gabrifi, dhun Sie uns die
Gesülligkeed, un reden Sie mid den Herrn Kriegs-
minister ä gudes Wördchen. Er wird doch ooch
so viel cinsehen, daß änne schdramme Göchin so
gud gegen de Franzosen marschiren un den Schdech-
schridd iebcn un den Schießbriegcl dragen un los-
dricken gann, wie mancher dämliche Bauernbursche.
Un dadermid wäre uns Beeden geholfen.

Änner meeglichst zufriedenschdellenden Andword
sehen wir rechd bald endgegcn un verbleiben mid
indiehmer Undcrdhänigkced

Ihre wohlgewogenen Göchinnen

Lina Bradfann. Rosa Fedd.

Maria Dreiling.
 
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