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war natierlich, bet ick jlcich meinen Zilinber, ober beit Tiittenproppen, wie
wir bet Möbel hier nennen, abbirschten, un soville wie et anjing, vorläufig
mal erst vor meine Person alleene Spalier bilden wollte. Aber ick besann
mir noch zur rechten Zeit ufs wat Besseret. Det ber Majistrat vor be
Schitzenbrieder vierzigbausenb Märker bewilligt hat, wirste woll wissen,
lieber Jacob. Natierlich iS brausten bei Pankow nu ooch een Schitzenplatz
mit allen möglichen Klimbim uffjestellt, wo De Dir, wenn De hier wärst
un Du singst hin, piekfein amiesiren kenntest.

Ick bin nu, wat mir anbetrefft, von be Nothwenbigkeit von be Schitzen-
jilbeu, un wat so brum un brau bammelt, bis in't innerste Marks von
meine Knochen ieberzeigt. Det beitsche Reich wirb beese in't Wackeln kommen,
wenn wir keene Schitzenjilben hätten; se sinb minbestens so nothwenbig wie
be Kejelklubs, nee, noch notwenbijer, inbem ick selbst nämlich frieher eenen
Kejelklub zujeheerte, ber hieß „Kejelklub Jroße Schnautze", wo se mir aber
balb rausschmissen, weil ick blos immer gkatzen schob. Doch janz abjesehen
bavon, ick bin nich mehr süchtig barieber, ick bin blos vor be Schitzenbrieder.

Aber weeßte, Jacob, Alles, wat Recht is, kann ick nich leiben, un so
wunbere ick mir benn ooch, bet sich noch nich mehr Leite jefunben haben,
bie sich ooch jerne vierzigbausenb Märker bewillijen lassen mechten. Een
Sport is nämlich bei mir ebenso ville ober ebenso wenig Werth wie ber
anbere, un ba mechte ick benn jerne, wenn et nich zuville Umstänbe machte,
von Forckeubeckeu erfahren, wie er sich woll bazu stellt, wenn mit een Mal
be Briefmarkensammler in Berlin eenen Kongreß veranstalten. Ob se ba
ooch jleich mit be vierzigbausenb Märker, so mir nischt Dir nischt, raus-
ricken wirben? Lka, un wenn benn be Segler, be Angler, be Bizykler, be
Trizykler unb wer weest wat noch vor Jkler kommen, un Jeber will seine
vierzigbausenb Dinger haben, ick jloobe, Jacob, bet wirbe benn balb soville
Sportvereine jeben, wie Berlin Schulden kriegte.

Seehste, Jacob, barum habe ick nu beschlossen, mir an bie Schitzen-
jeschichte jarnich zu betheilijen, un ick bin nu ooch faktisch nich brausten
jewesen „uff bie jriene Wiese" — wenn De vielleicht bet scheene Lieb ooch
kennst. Denn bei Alle, bie vielleicht noch kommen, kann ick natierlich nich
erscheinen, objleich ick ja felsenfest bavon ieberzeigt bin, bet meine Jejenwart
jebet Fest ben heechsten Jlanz un bie scheenste Weihe jiebt — aber wat »ich
is, bet is nich, un wat be Briefmarkensammler recht is, bet muß be Schitzen-
brieber billig sinb. Un so wie ick haben bei ben Klimbim 'ne jroße Masse
anbere verninftije Leite ooch jebacht, woraus ber Majistrat sehen kann, bet
noch lange nich alle Leite mit seine Bewillijungen inverstanben sinb.

Um nu noch 'n bisken uff unser eijentlichet Jebiet, be hohe un heechste
Politik zu kommen, so is außer ben Vertreter von ben „Jrönlänbischen
Thranboten" oogenblicklich keen eenzijer fremblänbischcr ober sonstwie reichs-
feinblicher Journalist in Friebrichsruh anjemelbet. Davor is Major Wiß-
mann — ick wollte natierlich sagen „von Wißmann" (Ehre, wem Ehre

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jebiehrt) hier in Berlin un macht be Straßen unsicher un be Bourgeois-
meechenS bis in be heechsten Kreise ruff halb verrickt. Na, wenn Eener
so'n bisken durchjemacht hat, benn is er bei bet scheene un zarte Jeschlecht
jleich Hahn in'n Korbe. Ick bin ooch nich von Pappe, lieber Jacob, beim
ick habe, so lange wie ick Bier brinken kann, stets be Eröffnung von be
Bockbiersaison siegreich beijewohnt, außerbeni bin ick — un baruff bin ick
stolz — breimal in meinen Leben bei Aktionärversammlungen von ver-
krachte Baujesellschaften zujejen jewesen — aber so verrickt, wie nach Wiß-
mannen is noch Keener un Keene nach mir jewesen.

Det is aber ooch blos wibber een Beweis vor bet olle Sprichwort:
„Wenn Zwee benselben Ulk machen, is et manchmal noch lange nich der-
selbe Ulk", womit ick verbleibe erjebenst un mit ville Jrieße Dein kreier

Jotthilf Naucke.

An'» Jörlitzer Bahnhof jleich links.


Hobelspähne.

f]\ Nun ruhen alle Wälber,

f)J Ak / L—' Unb Stille herrscht umher,

Zv\PS 1 Bewilligt sinb bie Gelber

tyy Für's deutsche Militär.

p Der Reichstag kam zu Enbe

Unb schwelgt in Ferien frei, —

Nun, Volk, rühr' bu bie Hänbe
Unb schaff' bas Gelb herbei.

[ Das beutsch-englische Abkommen über Ost-

C' asrika ist für uns so glücklich unb vortheilhast,

daß ich es gar nicht genug rühmen kann. Wir
-pp ersparen burch basselbe ungezählte Millionen, zu
v ^ bereu Verpulverung uns bie großen Gebiete An-

laß gegeben hätten, welche wir nun sreunbschaftlichst an Englanb über-
lassen haben. * *

Fürst Bismarck will kanbibiren, ' Ob gegen, ob für bie Regierung —
Er will in bas Parlament, Er pocht ans sein Renommee,

Will reben, bis man als Heros ' Es läßt ihn ja nimmer schlafen
Ihn wieber anerkennt. Der Lorbeer bes Boulanger.

* *

*

„Wir brauchen Brot unb ihr gebt uns Steine", sagten bie Arbeiter
zu ben Kolonialpolitikern, als bieselben bas beutsche Volk mit einer Felsen-
Insel beschenkten. Ihr getreuer

Säge, Schreiner.

hochfahrenb behanbelt wie zuvor. Das bewirkte, baß sich eine Verschwörung
bildete. Ihr Haupt war ber Friseur Elster, ber bas geschäftigste Mundwerk
im ganzen Stäbtlein aufwies unb es sogar ben Weibern zuvorthat; er war
Befehlshaber ber neuen Bürgerwehr.

Im Hinterstübchen eines vor ber Stabt belegenen Wirthshauses trafen
sich bie Verschworenen, unb ber Freunb, ber Arnolb verborgen hielt, gehörte
zu ben Eingeweihten. Er brachte seinen Schützling mit.

Arnolb hörte erst schweigenb zu.

„Männer von Rothenstein", sprach ber Friseur unb Bürgerwehrhaupt-
mann, „so kann es nicht weiter gehen. Wir müssen völlig frei werben."

„Jawohl", hieß es ringsum.

„Aber was wollen wir nun machen?" warf ein alter bebächtiger Gerber-
meister ein.

„Wir streben nach ber Republik!" rief ein Schneiber.

„Jawohl", antwortete ein als Politiker im Stäbtchenberühmter Professor,
„bie Republik müssen >vir haben unb zwar mit einem erblichen Fürsten an
ber Spitze."

„Bravo!" rief ein Hausbesitzer, „bann hat bie Sache auch kein so un-
gesetzliches Ansehen."

Da sprang Arnolb Wurm auf, ber steckbrieflich verfolgte Schulmeister.
Es arbeitete mächtig in ihm. Er hatte einen Gebanken.

„Männer von Rothenstein", rief er, „wir müssen hanbeln!"

„Wir müssen hanbeln, jawohl!" hieß es.

„Der Fürst Eberharb ber Achtunbachtzigste muß abbanken", sprach Arnolb.

„Abbanken, jawohl, abbanken!"

„Er ist ein zu gestrenger Herr", fuhr ber Schulmeister fort. „Unb ba
er keine Leibeserben hat, so können wir hier nichts Besseres thun, als zur
Regentin ber neuen Republik bie Prinzessin Elisabeth ernennen, bie ein
Herz für bas Volk hat!"

„Unb für bie Schulmeister", sprach spottenb ber Apotheker ber Stabt,
ber auch babei war.

Arnolb Wurm hörte bas nicht. In feurigen Worten pries er bie
bürgerfreunbliche Gesinnung ber Prinzessin Elisabeth. Die Bürger stimmten
ihm jubelnb zu. So warb beim beschlossen, ben Fürsten abzusetzen unb bie
Republik Rothenstein mit ber Prinzessin Elisabeth als Negentin an ber
Spitze auszurufen.

Arnolb Wlirin kam sich vor, als hätte er eine Welt erobert; er sah sich
schon als Regenten von Rothenstein, benn es war boch kein Zweifel, baß
Elisabeth ihn sofort zum Gemahl erheben würbe. Er träumte sich in seine
gewaltige Rolle für bie Zukunft hinein. Warum sollte auch ein Schulmeister
nicht Regent von Rothenstein werben? Napoleon war boch auch erst Artillerie-
lieutenant gewesen.

So warb ber große Staatsstreich vorbereitet, ber bie Rothenstein'sche

Staatsverfassung von Grunb aus umzuänbern bestimmt war. Die Bürger-
wehr warb für bie Sache gewonnen. Sie sollte ben Staatsstreich aussühren,
bas Schloß überfallen, Eberharb ben Achtunbachtzigsten gefangen nehmen
unb bie Republik mit ber Regentin Elisabeth proklamiren.

Am Abend, der zur Ausführung bestimmt war, versammelte sich die
Bürgerwehr auf dem gewöhnlichen Exerzierplatz. Arnold Wurm hielt eine
feurige Rede und versprach den Helden dieses Kampfes ewigen Ruhm. Sie
schwuren, Gut und Blut daran zu setzen.

Auch der Hauptmann der Bürgerwehr, der Friseur Elster, trat zuversichtlich
auf. Er hatte sich seinen Schnurrbart ganz martialisch zugestutzt für diesen Tag.

Die Truppe setzte sich in Marsch.

Die letzten Sonnenstrahlen blitzten in den Fenstern des Schlosses, dessen
Bewohner arglos blieben gegenüber der drohenden Gefahr, die ihnen immer
näher kam.

Da rief hinter den Bürgerwehrleuten eine laute weibliche Stimme:

„Herr Elster! Herr Elster!"

Es war Katharina Steinlein, die Stadthebamine, die hinter den Revo-
lutionären einherlief.

„Halt!" gebot der Hauptmann.

Sie hielten; die Hebamme aber kam keuchend heran und sprach:

„Herr Elster, Sie müssen sofort mit mir nach Ihrem Hanse kommen;
Ihre Frau kommt ins Wochenbett und es ist gar keine Zeit mehr zu verlieren!"

Sie eilte fort.

Der Hauptmann machte ein sehr bedenkliches Gesicht.

„Ja, da ist nichts zu machen", meinte er, „da muß ich schon nach Hanse."

„Aber bedenken Sie das Vaterland, die Republik und die Prinzessin!"
rief Wurm mit aller Leidenschaft.

Elster kratzte sich hinter den Ohren.

„Alles sehr schöne Sachen!" meinte er. „Aber wenn ich meine Frau
während des Wochenbettes verlasse, so wird sie mir dies nie verzeihen! Ein
ander Mal!"

„Dann werde ich das Volk gegen das Schloß führen", schrie Arnold
Wurm verzweifelt.

Aber die Bürgerwehrmänner erklärten entschieden, daß sie ohne ihren
erwählten Führer nichts unternehmen würden. Sie gingen ruhig nach Hause.

So mißglückte der Staatsstreich, während das Wochenbett der Frau
Friseurin sehr glücklich verlies. Der Fürst sah sich vor, als er von der
Verschwörung vernahm.

Arnold Wurm floh nach Amerika; die Prinzessin Elisabeth aber wurde
nicht die Regentin der Republik Rothenstein, sondern mußte den alten Grafen
von Meyerheim wirklich heirathen. Und das Alles, weil die Frau Friseurin
zu ungelegener Zeit niederkam.

So ist die Laune der Weltgeschichte.
 
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