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An Stöcker.

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Der Naturfreund.

Auf ihren Köpfen prangt das Barett
Anstatt der Pickelhaube.

Statt eines Harnischs umgiebt ihre Brust
Der antisemitische Klaube.

Dem rothen Banner entgegen ziehn
Lie aus mit der schwarzen Fahne,
voran als Lhrengarde marschirt
Herr Stöcker und seine Kumpane.

Nicht stimmen sie an die „Wacht am Rhein",
And auch nicht fromme Lhoräle.

Lie gehe» direkt dem Bösen zu Leib,

Am zu retten die arme Lcele.

Nit sanft zum Himmel gerichtetem Blick
And salbungsvoller Bunde
Eröffnet das schwarze Regiment
Line schreckliche Kanonade:

„Wach ans, mein Volk, entäußere dich
Der Singer und Konsorten,

Die Juden brachten dir nimmer Glück,

Ls ist immer schlechter geworden!"

-x-

Die Bozialistenhatz ist bereits
Gesunken vom hohen Rosse
Herab ans den Stöcker, — es folgt jetztnnd
Auf die Tragödie die Posse.

Frau: Wie, Du willst heute Abend schon wieder ausgchen?

Alaun: Ja, mein liebes Weibchen! Du glaubst gar nicht, wie feier-
lich cs durch die stille Nacht tönt, wenn die Schloßuhr zwölse schlägt.

Hambnrgischcs.

So du den Arbeitgeber ärgerst
Bist du von Sünde nicht mehr frei,
Drum wird alsbalde auf dich richten
Ihr Augenmerk die Polizei.

Sie wird nach deinem Bilduiß fahnden,
Wird dich verhaften, arger Wicht,

Und eh' du's ahnst, bist du gezeichnet
Durch Apparat und Sonnenlicht.

Und hat sie deine theuren Züge,

Entläßt sie dich mit Höflichkeit —

Doch in das Album der Verbrecher
Wirst du als Hetzer eingereiht.

Au Kurt Abcl.

Du legtest auf des Vaterlands Altar
Das Buch vom Lose der Kaseruen-Sklaven,

Und daß die Hiebe scharf und sicher trafen,

Das ist dem blödesten Philister klar.

Doch manche Stinnne mit Entsetzen frägt:

Wie darf mau wagen, solches Buch zu drucken?
Die Staatsraison verlangt, den Kerl zu ducken —
Wo ist der Kain, der diesen Abel „schlägt"?

König Stumm.

Der König Stumm, das ist nicht fein,
Behält den Leuten die Beiträge ei»,

Die sie seit Jahren ausgezählt,

Wenn sie sich einmal vor ihm verfehlt.

An Ruhm erwirbt er so sich wenig,
Dergleichen thut kein „großer König".

Zum 14. Juli.

Zahlreich und stramm und wohldressirt
Sind die Bataillone aufmarschirt
Am Jahrestag von der Bastillcnthat,

Die mau zu Paris gefeiert hat.

Und all die Redner, die großen und kleinen,
Sie sprachen nur von der Freiheit, der einen.
Ach ja — nur däucht sie »ns in Ketten,

Die Freiheit; von tausend Bajonetten
Und hundert Kanonen umzingelt, wißt
! Daß das eine seltsame Freiheit ist.

Der Schnaps.

! Herrscht in Europa der Alkohol,
i Geht mit der Kultur es zu Ende wohl,

In Afrika aber verwendet mau nur
Bahnbrechend den Schnaps für die Wclt-„Kultur".

Wer war's?

Die bösen Liberalen,

Sic drückten ihn au die Wand,

Daß er vor Aengsten quietschte,

Hat Bismarck jetzt bekannt.

Erst war die Lesung anders:

Da hat der Kanzler gedrückt,

Da waren'« die Liberalen,

Die seufzend zum Himmel geblickt.

Es ist die alte Geschichte:

Wenn sich geprügelt Zwei,

War später gewöhnlich Keiner
Schuld an der Keilerei.

Scharfblick.

A. : Warum hat Bismarck wohl das Mandat
von Kaiserslautern abgelehnt?

B. : Ich glaube, die Gegend dieses Wahlkreises
war ihm unsympathisch. Als Kenner der Land-
wirthschaft weiß er, daß die Trauben, welche in
dortiger Gegend wachsen, sehr sauer sind.

Einst und jetzt.

Einst gegen die krummen Säbel
Erfochten den Lorbeer deS Ruhms
In schrecklichen Türkeuschlachteu
Die Ritter des Christenthums.

Auch heute ereifert sich Mancher
lind will sich erringen den Ruhm,

Zu retten in Redeschlachten
DaS zünftige Christcnthum.

Doch weil für die krummen Säbel
Ihm mangelt der uöthige Muth,

So gegen die krummen Nasen
Entfesselt er all seine Wuth.

Nemesis.

„Die deutsche Presse ist feige",

Hat Bismarck der Große gesagt,

Weil keines der edlen Reptile
Ihn mehr zu vertheidigeu wagt.

Sei ruhig, du lebend Begrab'ucr,

Du zogst ja die Feigheit erst groß;

Daß dich die „Ratten" verlassen,

Ist dein verdientes Los.
 
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