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Dir Presse der Partei.

Der Willkür vollständig preisgegeben war unter dem Sozialistengesetz
vor Allein die Presse der Partei. Was im Druck eigentlich verboten oder
erlaubt war, hat nie ein Sozialdemokrat und nie ein Richter gewußt. Die
unverfänglichsten Redewendungen in einem Artikel führten oft die Vernichtung
einer Zeitung herbei und die unhaltbarsten Vcrbotsbegründungcn brachen

über die bürgerliche Existenz der Be-
theiligten endgiltig den Stab. Denn
jedem Verbot eines Blattes mußte zwar
eine Begründung beigegeben werden,
so wollte es das Gesetz, aber die Be-
gründung brauchte nicht logisch zu sein.
Welche Konseguenzcn diese Unsicherheit
in geschäftlicher Hinsicht für die sozial-
demokratischen Preßunternehmungen
hatte und nüc wenig beneidcnswerth die
Lage der dabei thätigen Personen war,
die niemals sicher wußten, ob nicht ein
Verbot ihnen plötzlich Beschäftigung
und Verdienst rauben und sie existenzlos

Diese gesammte Presse wurde nach Verhängung des Sozialistengesetzes
bis auf einzelne Blätter vollständig vernichtet. Die gegenwärtig vorhandene
Presse ist also erst unter dem Sozialistengesetz entstanden und hatte bei Ablauf
desselben, Ende September dieses Jahres, folgenden Stand:

Es erschienen wöchentlich 6mal 19 Blätter, welche zwischen 30 000 und
1100, im Ganzen 120 400 Abonnenten hatten; — wöchentlich 3mal 25 Blätter,
welche zwischen 9000 und 250, im Ganzen 58 000 Abonnenten hatten; —
wöchentlich 2mal 6 Blätter, welche zwischen 6000 und 450, im Ganzen
14 850 Abonnenten hatten; — wöchentlich Imal 10 Blätter, welche zwischen
14 500 und 1000, im Ganzen 60 850 Abonnenten hatten; — insgesammt
also 60 politische Blätter mit 254100 Abonnenten.

Der Stand der Gewerkschaftspresse war folgender:

Es erschienen wöchentlich imal 17 Blätter,' von welchen eins 27 000,
das zweite 16 000, das dritte 15 000, das vierte 12 500, das fünfte 11000,
das letzte 800 Abonnenten hatte. Jui Ganzen hatten diese Blätter 155 350
Abonnenten. — Monatlich 2mal bczw. 3mäl erschienen 2 Blätter mit zu-
sammen 4400 Abonnenten; —alle 14 Tage bezw. monatlich 2mal 20 Blätter,
welche zwischen 6000 und 400, im Ganzen 39 750 Abonnenten hatten; —
monatlich Imal 2 Blätter mit zusammen 1500 Abonnenten. — Insgesammt
also 41 Blätter mit 201 000 Abonnenten.

Zu den angeführten Blättern kamen weiter: 1 wissenschaftliche Zeitschrift,

die monatlich erschien und 2500 Abonnen-
ten hatte, 1 Unterhaltungsblatt, wöchent-
lich erscheinend, mit 19000 Abonnenten
und 2 Witzblätter mit über 100 000
Abonnenten.

Es ist selbstverständlich, daß diese

machen werde, das hat sich nur zu oft gezeigt, denn das. Damoklesschwert des
Zeitungsverbots sauste nicht selten hernieder und zerstörte mit einem Schlage,
>vas mit unsäglichen Mühen geschaffen worden wür. Welche Arbeit cs dann
kostete, ein anderes Unternehmen ins Leben zu rufen, ohne dem Paragraphen
zu verfallen, welcher von der „Fortsetzung verbotener Druckschriften" handelt
und wie schwer cs war, einen beträchtlichen Theil der alten Abonnenten für
das neue Unternehmen zu gewinnen, das haben viele Genossen empfunden.
Wenn daher der Opfer gedacht wird, die unter dem Sozialistengesetz für die
Aufrechterhaltung und Fortentwicklung der Parteithätigleit gebracht worden
sind, so darf man nirch von denjenigen Genossen, welche in der inländischen
Parteipresse arbeiteten, gleichviel ob als Redakteure, Buchdrucker oder Ber-.
breiter, sagen, daß sic redlich ihre Schuldigkeit gethan haben.

Trotz dieser schlimmen Existenzverhältnisse unserer Presse hat sich die-
selbe doch rasch von den vernichtenden Schlägen der Jahre 1878 bis 1881
erholt und eine Bedeutung erreicht, welche den Stand der sozialdemokratischen
Presse vor 1878 weit überragt.

Bei Erlaß des Sozialistengesetzes bestanden — so bekundete der Genosse
Bebel — tu Deutschland 42 politische Parteiblätter und 14 Gewerkschafts-
organe. Der gesammte Abonncntenstand derselben ist nie genau sestgcstellt
worden, er mag aber 160 000 bis 170 000 nicht überschritten haben. Von
den 42 politischen Zeitungen erschienen 13 wöchentlich 6mal, 13 wöchentlich
3mal, 3 wöchentlich 2mal und 13 wöchentlich Imal.

jetzt erreichten Zahlen der
Größe und Ausbreitung
unserer Partei iioch lange
nicht entsprechen, da andere,
viel schwächere Parteien
eine an Blättern und

Abonnenten viel stärkere Presse haben. Doch ist angesichts der Zustände
unter dem Sozialistengesetz auch der Stand unserer Presse ein glänzendes
Zeugniß für die unversiegbare Kraft der Sozialdemokratie.

lieber die künftige Regelung unserer Preßvcrhältnisse referirte Genosse
Auer in sachkundiger Weise und faßte seine Darlegungen in einer Resolution
zusammen, welche Folgendes ausspricht:

Die Presse ist unser bestes und wirksamstes Kampfmittel. Sie kann
ihrer Aufgabe aber in ausreichendem Maße nur entsprechen, wenn ihre Existenz
genügend gesichert ist und jeder nicht-parteigenösstsche Einfluß von ihr fern-
gehalten wird. Es ist daher nöthig, daß die Parteigenossen allerorts neben
der sonstigen Schriftenverbreitung auch die Förderung unserer Lokalpresse
sich angelegen sein lassen. Sie sollen aber auch darauf achten, daß unsere
Presse nicht zum Gegenstand von Privatspckulationen gemacht werde, und
 
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