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907

Steiererhebcr hätten bcnu bald jarnischt mehr zu duhn, un kennten in'n
Sommer nach'n Thierjarten jehcn nn Bööme abstoobcn. Denn wäre die
cwijc Quengelei von wejen dct Steiernbezahlen bei de Oppositionsparteien
mit eenmal aus, un de Sozialdemokraten hätten denn nischt mehr ieber't
Vkilitär zu schimpfen un de Rejierung brauchte sich wenigstens Wesen die
Militärjeschichte keenc jraucn Haare mehr wachsen zu lassen. Aber so is
Miguel: dct Allcreenfachstc sieht er manchmal nich, nn et muß immer erst so'n
jewiegter Politiker kommen wie ick eener bin, nn muß ihn mit de Nase rufsstoßen.

Wenigstens aber bin ick een nobler Kerl, der vor seine jutcn Rathschläge
nischt verlangt, nich mal de Altersvcrsorjungsrente.

'Ne andere scheene Sorte, die se jetzt hier ooch injeführt haben, dct sind
de Spiritisten. Wat se cijcntlich wollen, dct kann ick Dir nich so ohne
Weiteres auseenanderpolkcn, indem ick et selbst nich so recht weeß. Ick habe
blos jeheert, bet sc Jcister aus de Ober- oder Unterwelt zitiren, un dct
jeder von die Bricder mit seine längst verstorbene Urjroßmuttcr, wenn er
eene schabt hat, 'ne janz jediejcnc Quasselei anfangcn kann.

Na, ick jestehe et janz offen in, vor sonne Sachen bin ick nehmlich
wirklich ’tt Bisken zu dämlich, ick verstehe da kecnen Happen von, objlcich

ick sonst ivoll ooch noch ziemlich bitte von'n jediejcncn Mumpitz halte. Aber

wat zu bitte is, dct is zu bitte, un Alles, wat Recht is, kann ick nich leiden.
Ick wäre nehmlich schon janz ferne mal bei die Spiritisten hinjejangen, aber
ick ekle mir zu sehr vor den Spiritus, denn davon kommt doch „Spiritist"
janz bestimmt her. Ick bin nehmlich trabe in die Beziehung 'ne sehr putzige
Kruke: ick kann nehmlich tecn vollet Jlas sehen, nn fricher habe ick sehr

jcrne 'neu Schnaps jedrnnkcn — aber jetzt kann ick et jarnich mehr lassen.

Sechste, un darum >chc ick nich hin. Denn wenn sich da Jeder bis oben ran voll ■
Spiritus plumpen muß, denn is et natierlich tecn Wunder, bet er den Himmel
schließlich vor'n Dudclsack ansieht, un bet er eenen janz geweehnlichen Schulze oder
Müller vor den abjeschiedencn Jcist von Hannibal'n oder Julius Cäsar'» halt.

Aber, Jacob, jedet Ding uff de Welt hat een Ende, blos de Wurscht
nich, die hat zwce. Un so wird die Jeschichte mit den Spiritismus woll
ooch mal von de Bildfläche verschwinden: dct hccßt, mcinswejen brauchen sc
sich kecnen Zwang anzuduhn, ick halte et aus, un darum können se ooch
ruhig weiter spiritnssen, womit ich verbleibe crjebcnst nn mit bitte Jrieße
Dein trcier Jotthilf Naucke.

An'n Jörlitzer Bahnhof jleich links.

Für die Friedensliga.

Jeder der kriegslustigen Staaten sendet einen Kommissar auf den Kampf-
platz, in dessen Mitte ein kolossaler Behälter, eine Art Danaidenfaß, steht.
Dahinein wirft jeder Kommissar abwechselnd Goldstücke. Derjenige Staat,
der dieses Hineinwerfen am längsten aushält, ist Sieger. Das gesammelte
Geld wird schließlich zur Lösung der sozialen Frage verwendet. Soldaten
sind dabei höchst überflüssig.

Scherzfrage.

Wer steht noch über den Wirbclthieren?

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Hobrlspähnr.

DieMoltkefeicr, so knechtselig sie von vielen
Theilnehmern betrieben wurde, har doch bis zu
gewissem Grade für Abschaffung der Knecht-
schaft gewirkt. Moltke hat nämlich infolge der
Feier seinen Stiefelknecht ab sch affen können;
er läßt sich jeden Abend eines von den Gedichten
vorlesen, die zu seiner Verherrlichung gedruckt wurden,
und diese Verse sind so schlecht, daß sie ihm die
Stiefel sammt den Strümpfen ansziehen.

Die deutschfreisinnige Partei hat den Professor
Koch zu ihrem Ehrenmitglied ernannt, weil er die
Heilmittel gegen die Schwindsucht ergründet.
Die Partei erhofft von ihm Heilung gegen die
galoppirende Abonnenten- und Mitglieder-
Sch wind sucht, welche das ganze deutschfreisinnige Parteiwesen ergriffen hat.

Es geht der Bettelsack durch's Land:

„Ihr Leute, habt Erbarmen!

Gebt etwas zu dem Denkmal her
Für unfern Bismarck, den armen!"

Der Bettelsack zum zweiten Mal
Um eine Bismarckspende!

Nun bringt sie wie die erste auch —

Ich raW' es euch! — zu Ende.

Dem Bismarck gebt das ganze Geld,

Dann wird er gnädig schauen;

Er nimmt's! doch wird er schwerlich sich
Dafür ein Denkmal bauen.

Der preußische Eisenbahnminister ist doch noch ein Mensch, welcher Liebe
zum Volke hat; er möchte es nicht g ern fahren laffe n und tritt deshalb allen
Zonentarif-Bestrebungen, welche den Fahrpreis verbilligen würden, entgegen.

Man fängt cs endlich an zu merken:

Der Fleischpreis wirklich ist zu hoch,

Er macht selbst in des Bourgeois' Kasse
Mitunter ein zu großes Loch.

Darum — dem Volke zu erhalten
Das Fleisch, muß doch etwas geschehn, -
Doch leider — auf des Armen Tische
Ward längst schon Fleisch nicht mehr ge sehn.

Ich begreife nicht, was cs uns nützen soll, daß wir Witu an England
abgetreten haben, wenn dort noch immer in erster Linie Deutsche nm-
gebracht werden. Der Sultan sollte doch so viel Etignette im Leibe haben,
um den Engländern, als den neuen Schutzpatronen des Landes, bei der
kolonialen Gepflogenheit des Massakrirens den Vorrang zu lassen.

Ihr getreuer Säge, Schreiner.

fahren tadelnswerth sein, wenn es sich um eine so
geringfügige Sache, wie ein Glas Bier handelt,
während das Recht und die Existenz der Staats-
bürger sich den langsamen bureaukratischen Weg
gefallen lassen müssen, unbekümmert darum, was
auf dem Spiele steht?"

Der Minister legte den Finger an die Rase und
sagte bedeutsam: „Das ist etwas ganz Anderes!
Beim Glas Bier ist der Inhalt die Hauptsache,
in der Bureaukratie aber die Form. Und die
Form hat niemals Eile."

Der Oberkellner mußte es glauben, denn der
Minister ist die höchste Instanz und diese irrt sich nicht.

Der Znknnftbstaat.

Als das gelobte Land dereinst
Dem Moses wollt' Jchovah zeigen,

Ließ er zuvor den Sehergreis
Den hohen Berg Ncbo besteigen.

Wer an dem Bild der neuen Welt
Die inner» Blicke will erlaben,

Der muß die Höhen der Idee
Im Geist zuvor erklommen haben.

Situationsbericht beb Herrn Reptilins

über die schrecklichen Folgen des ordnungsgemäßen Zustandes.

Noch ist kaum ein Monat verstrichen, seit das
Sozialistengesetz gefallen ist und uns schutzlos den
gemeinrechtlichen Zuständen überliefert hat, und schon
machen sich die Folgen dieses entsetzlichen Ereignisses
in grauenhafter Weise geltend. Wenn man sich
jetzt an die Berkchrsorte der Sozialisten bcgicbt und

sich unter die Arbeiter mischt, um etwas zu erfahren,
so kann man ganz sicher sein, nicht den geringsten
Geheimbund zu entdecken. Alles, was früher als
Geheimbund zu fassen war, spielt jetzt in freier
Oeffcntlichkcit und das Auge des friedlichen Bürgers
gewöhnt sich so daran, daß er gar nichts schreckliches
mehr darin sieht, während er sich früher mit be-
achtenswcrther Logik sagte: „Wenn die Polizei das
Beisammensein einiger Sozialisten verfolgt und das
Gericht es bestraft, dann muß es auch gefährlich
und verbrecherisch sein." Noch schlimmeres Elend
bringt die gänzliche Abwesenheit verbotener Schriften
mit sich. Früher konnte man in den Zeitungen
sagen: „In Bebcl's ,Frau' wird die gänzliche Ab-
schaffung der Ehe proklamirt." Die Leser unserer
Zeitungen mußten es glauben, denn sie konnten sich
vom Gcgentheil nicht überzeugen, weil die fraglichen
Schriften verboten und somit für staatserhaltcnde
Familien nicht beziehbar waren. Jetzt, wenn wir
uns nur den harmlosen Scherz machen, zu sagen,
die „Jungen" in der Sozialdemokratie hättm den
„Alten" die Köpfe abgebissen, da kommt gleich das
„Volksblatt" oder der „Wahre Jacob" und quittiren
uns eine Lieferung frischer Enten. Mit den Ver-
sammlungen ist cs schon ganz gräßlich geworden.
Nicht jedes Vereinsgesetz ist so gemüthlich, wie das
sächsische, welches für jeden Fall einen liebens-
würdigen Paragraphen bereit hält, der sich in zuvor-
kommendster Weise anwenden läßt. Meistens finden
die veranstalteten Versammlungen wirklich statt und
es wird wirklich geredet und beschlossen. Wenn
wir dann am andern Tage ans das Gefahrvolle
eines solchen Gebahrcns aufmerksam machen, dann
heißt es wohl gar, es habe ja Niemand ein Bein
gebrochen und es sei keine Petroleumlampe explodirt,
— wo beim da die Gefahr stecke? Die böse Welt

glaubt heute an gar nichts mehr, nicht einmal an
eine Gefahr, und wo keine Gefahr, da giebt's nichts
zu retten, es ist, als wenn im sozialdemokratischen
Programm stände: „Die Staats- und Gesellschafts-
rettcrei wird zur Privatsache erklärt." Wie nun
ein kräftiges Polizei- und Dcnunziantenwesen er-
blühen kann, wo es nichts mehr zu denunzircn
gicbt, das ist mir räthselhaft. Wenn ich an einem
Laternenpfahle vorbei gehe, so sehe ich mich immer
im Geiste daran hängen; nur weiß ich noch nicht
genau, ob mich die Sozialdemokraten hingehenkt
haben, oder ob ich cs selbst that. Fast vermuthe
ich daS letztere.

Theaterzensur.

Nichts leisten konnten die Denker und Dichter
Und was sie brachten, war Alles nur Dunst;
Doch jetzt entzünden sich neue Lichter
Und es bliiht auf eine neue Kunst.

Verworren war bisher die Welt der Gedanken,
Denn sic war immer noch allzu frei;

Jetzt zieht mit maßvoller Weisheit die Schranken
Fürsorglich und klüglich die Polizei.

Apollo, greif' nur in deinen Busen,

Du bist veraltet, das siehst du ein;

Tritt ab mit deinen nackenden Musen

Und räum' deinen Platz dem Schutzmann ein!

Der waltet im Tempel der Kunst so tüchtig
Und flink an des heidnischen Gottes Statt;

Die Kunst wird wieder christlich und züchtig,

Ein Schutzmann braucht ja kein Feigenblatt.
 
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