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Nrtlr Neuigkeit.

Donnerwetter.

„Liebe Emilie, Du hörst doch gern Neuigkeiten? Weißt Du denn auch
schon das Allerneueste?"

„Nein, bitte, bitte, sag' mir's doch schnell!"

„Ich Hab' Bankerott gemacht!"

An den Ridder Götz inid'n Debbchen.

Wenn de ooch mid Ruhm dich nich Un nu gommd zum Jwerfluß

In Berlin bedeckdest,

Weil de ähm so färchderlich
Gern dei Debbchen leckdest,

Würdest du zum zweeden Mal
Sicher dich bequemen,

Die uff dich gefall'ne Wahl
Freindlich anzunehmen.

Ob sich freilich 's hohe Haus
Sehr viel derbei dächde.

Wenn mer dich zum Dinge naus
Um de Ecke brächde?

Doch das würde deinen Sinn
Geene Schdunde quülen
Un de machdest schleinigst hin —
Dhäden sie dich wählen.

Doch uff diesen scheenen Dag
Kannst de lange lauern,

Weil dich geener wieder mag,

Nich ämal de Bauern,
i Alles husted uff's Gardell,

Drotz bezahlder Federn,

Un de Rohden wer'n dei Fell
Merderlich zerledern.

Seufzer ein«

Da steht schon wieder ein langer
der Zeitung! Als ob diese Neuerung
rauchlose Tabak erfunden worden wo
die weißen Gardinen anschwürzten!

Wider dich geridden
Hoch zu Roß uff Hieb un Schuß
De Andi-Semidden!

Ihre Reihen, schwarz un dichd,
Wollen dich versohlen
Un se sein dadruff erbichd,

Deinen Schgalb zu holen.

Sparigs Bruno werd sich dir
Zur Versiegung schdellen
Un vereinigd werdet ihr
Ganz geheerig bellen.

Doch de Wühler sein verschdockd,
Lassen sich nich goofen —

Eire scheenste Reede lockd
Geenen Hund von Ofen.

Lindenauer Ferdenand,

Halde schdeif 'n Nacken;

Wehre dich mid Fuß un Hand —
's Brod is dir gebacken!

Wie de Zeid verschieden ist,

Is tt reenes Wunder;

W-e du ruff gegrawweld bist,
Fl.east wieder nunder!

s rauchlose Pulver in
Wenn doch lieber der
ne Männer nicht mehr

Erster Zahngehilfe: Mein Prinzipal ist doch berühmt! Der hat
neulich dem Fürsten einen Zahn ziehen dürfen!

Zweiter Zahngehilfe: Das will gar nichts heißen! Mein Prinzipal
hat neulich sogar den Zahn der Zeit gezogen!

Bericht vom verflossenen Weihnachtsmarkte.

Die Stimmung der Händler war eine sehr rabiate. Sie waren zum
Losschlagen jeden Augenblick bereit. Die Nachfrage ließ jedoch manches
zu wünschen, insbesondere fragte kein Mensch nach Bulgarien und nach
den Aussichten Herbert Bismarck's auf das Reichskanzleramt. In Frankfurt
und Hannover war große Nachfrage nach Portefeuillewaaren, weil die
Firma Bennigsen & Miquel starken Bedarf an Ministerportefeuilles hatte.
Leider dürften sich Lieferungen in diesem Artikel sehr verspäten. Die Kauf-
lust in Bezug auf Spielwaaren zeigte sich in Kartellkreisen schwach, da
die Kartcllbrüder zumeist mit ihren Prinzipien spielen. Dagegen kaufte
sich in Elberfeld der Rechtsanwalt Lenzmann einige Lockspitzel. Die
Stöcker'schen haben sich nach der Berliner Stadtverordnetenwahl Filz-
sohlen gekauft, um in Zukunft etwas leiser aufzutreten. Daher das Gerücht,
daß sie bei diesen Wahlen „versohlt" worden seien. Die Sozialdemo-
kraten beschenkten sich meist mit Regenschirmen, weil nach dem glor-
reichen Debüt von I. Weber und Konsorten in Elberfeld ein neuer Regen
von Denunziationen und Anklagen in Aussicht stehen soll. Die Kreuz-
zeitungspartei traf ihre Vorbereitungen, um den nächsten Reichstag mit einem
gesunden Puttkamer zu beschenken und dem verwaisten Hammerstein schenkte
das Kartell ein tiefgefühltes Mitleid. Reichliches Angebot fand in par-
lamentarischen Kreisen statt an Kompromissen zum Zustandekommen des
Sozialistengesetzes. Bermuthlich ist man auch hier handelseinig geworden.
Auch sonst war die Stimmung auf dem politischen Weihnachtsmarkte belebt
und namentlich das Geld der Steuerzahler fand durchweg Abnehmer.

Randglossen zum Elberfelder Prozeß.

Kammhoff's Trost.

Hat auch dein Weber schlecht gewebt,

Und ließ des Netzes Maschen offen.

Und hat dein Wimmers sich verrannt,

Und nicht, was nöthig nur, bekannt,

Es bleibt dir noch ein Röllinghosfen.

— Warum richten die Spitzel ihre Angriffe immer in erster Linie gegen
den Angeklagten Harm?

— Sie wollen die Aufmerksamkeit darauf lenken, daß die Angeklagten
nicht harmlos sind.

— Ist wirklich der Wahrheit damit gedient, daß die Polizisten fort-
während ihre Aussagen verweigern?

— Gewiß: denn sie wurden von ihren Gewährsmännern doch blos an-
gelogen, also: je weniger Aussagen, desto mehr Wahrheit.

— Wo hatte eigentlich der Angeklagte Röllinghoff plötzlich die 900 Mk.
her, als er sich zum Denunziren entschloß? rjr

— Die hat ihm der große Unbekannte heimlich m die Tasche gesteckt,
damit er sich zu den Besitzenden zählen und aus Klaffen-Jntereffe die
Sozialisten hineinlegen sollte.

— Was wollen die Spitzel nur immer mit der geheimen Tinte?
— Sehr einfach; sie wollen die Angeklagten in die Tinte bringen, und da
es ein Geheimbundsprozeß ist, brauchen sie dazu natürlich geheimeTinte.
 
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