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Nr. 91.

Preis pro Nummer 10 Pfennig.

1890

Blitzdrahtmeldungen.

Berlin. Die Influenza übt in nationalliberalen Kreisen eine ge-
radezu verheerende Wirkung aus. Alles ist zum Schwindel geneigt
und die Hinfälligkeit der ganzen Partei macht sich bei jeder Ab-
stimmung bemerkbar.

— Der Reichskanzler will den Abgeordneten im Reichskanzler-Palais
zum Abschied einen großen Fasch.ingsball geben. Es soll bei dieser I

! Gelegenheit der berühmte Eiertanz aufgeführt werden, mit dem sich
die Parteien um die Ablehnung des Sozialistengesetzes herumdrücken.

In Oesterreich herrscht zur Zeit starke Nachfrage nach Paprika, weil
die Deutschen und die Böhmen Anstalt machen, sich gegenseitig aufzufresfen.

Rußland. Der Zar ist vor Kurzem tödtlich erschrocken, als in
Gatschina beim Mahle plötzlich die elektrische Beleuchtung versagte.
Dadurch erfährt die Welt zu ihrer Ueberraschung, welch' ein großer
Lichtfreund der Zar aller Reußen ist.

Erscheint monatlich zweimal.

Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und Kolporteure.


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Der Drachentödter.

°O0°

Der Staatsanwalt zu Elberfeld,

Der träumte von einem Drachen,

Bon dem bedroht sei die ganze Welt;

Er wollte zum Retter sich machen.

Er fühlte sich in seiner jungen Kraft
Zum Ritter Sankt Georg geboren;

Den Lindwurm zu tödtcn mit Meisterschaft,
Hat fest er sich zugeschworen.

Und wenn er das Ungethüm gefällt,

Den Schrecken von diesem Jahrhundert,
Dann ward er als drachentödtender Held
Von aller Nachwelt bewundert.

Dann ward in Stein er ausgehau'n
Und ward auch in Erz gegossen,

Und Verse zu seinem Lobe, traun!

Nach Hunderten wär'n sie geflossen.

Der Held verstand sich auf's Jagdgesetz
Und wußte, was stand darinnen,

Und so begann er ein großes Netz
Zum Drachenfang sich zu spinnen.

Er spann bei Tag und er spann bei Nacht,
Er ward nicht müde mit Spinnen,

Wie einst des Odysseus Weib es gemacht,
Der Freier Schaar zu entrinnen.

Er wob das Netz mit gewaltigem Fleiß
Und sparte keine Künste,

Ward ihm auch bei solcher Arbeit oft heiß,
Er schuf das ganze Gespinnste.

Dann nahm die Gelegenheit er beim Schopf
Und lauerte klug auf den Drachen
Und warf ihm flugs das Netz über'n Kopf,
Das Ungethüm wehrlos zu machen.

Im Netze schon zappeln sah der Held
Den Drachen, und pusten und keuchen,

Schon jubelt' ihm zu die halbe Welt,
Philister und Ihresgleichen.

Allein das Netz war lose gestrickt,

Die Maschen waren zerschlissen,

Und ob man auch oft daran geflickt,

Der Drache hat es zerrissen.

Und wie es ein Loch geworden nur,

Da stand der Held betroffen;

Der Drache flngs von dannen fuhr,

Als er ein Loch sah offen.

Das Publikum sah zu und schlug

Bald auf eine große Lache

Und sprach: ,,Nun wissen wir genug,

Das ist ja gar kein Drache!"

Es stand der Held in seinem Leid,

Ihn that seine Müh' verdrießen;

Die Sache ging aus, wie seiner Zeit
Das große Hornberger Schießen.

Man wird ihm setzen ein Denkmal nicht,

Ich sag's ihm im Vertrauen;

Zum Trost send' ich ihm dies Gedicht;

Auf daß er sich mag erbauen!

Iarob.
 
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