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machen kennte. Also, lieber Jacob, noch mal, halte de Ohren un den
Daumen steif, det is meine beste Vermahnung, die ick Dir jeden kann, wo-
mit ick verbleibe
crjebenst un mit ville Jrieße Dein treier
Jotthilf Naucke.
An'n Jörlitzer Bahnhof jleich links.
Preisvertheilung.
Die Akademie Karnevalia hatte eine Anzahl . eise ausgesetzt für die
besten Arbeiten und Leistungen auf dem Gebiete deS höheren Ulks. Das
Urtheil des Preisgerichts hatte folgendes Ergebniß:
Mit dem ersten Preis wurde ein Aussatz bedacht über das Thema:
„Innung und Befähigungsnachweis. Der einzige Weg, auf
welchem das Handwerk seinen verlorenen goldenen Boden
wieder erhalten kann". Motto: „Der Zopf, der hängt ihm hinten".
Verfasser: Hofrath Reaktionarius.
Den zweiten Preis trug eine Abhandlung über die Judenfrage
davon. Motto: „Schmeißt ihn 'raus, den Juden Jtzig". Verfasser: Ritter-
gutsbesitzer Hypothekarius.
Der dritte Preis kommt nach dem einstimmigen Beschluß des Ge-
sammtvorstands unter denjenigen Kleinbauern zur Bertheilung, welche unter
Petitionen um Erhöhung der Getreidezölle ihren Namen gesetzt haben.
In Rentierskreisen.
A. : Sie, jetzt müssen wir uns nach Arbeit umschauen.
B. : War' mir schon zu dumm! Für was hätten wir denn nachher
unsere Zinsen zu verzehren, wenn wir arbeiten wollten?
A.: Ja, wissen Sie, es ist des politisches Renommes wegen. Sie
haben doch im Reichstagsbericht gelesen, daß Herrfurth uns Rentiers,
die wir nicht arbeiten, für Sozialdemokraten hält!
Hobelspähne.
Die Demaskirung dem Fasching folgt!
Dies diene dem Wähler zur Lehre.
Er soll in der heißen Wahlschlacht auch
Entlarven die Reaktionäre.
* *
*
Die bureaukratische Bergarbeiter-Enquete
hat zwar ein recht erfreuliches Resultat gehabt,
indem sie die große Mehrzahl der Bergarbeiter-
Beschwerden als unbegründet erwies und die Ur-
sachen des Streiks in Agitationen von Außen her
erkannte, aber wenn man nur noch ein wenig
gründlicher und energischer verfahren wäre, hätte
sich gewiß zur Evidenz herausgestellt, daß über-
haupt gar kein Bergarbciterstreik stattge-
funden hat.
* *
*
Die Kuli's sind Menschen!
Herr Bötticher sprach.
Nun ahmen den Weißen
Das Streiken sie nach.
Bötticher, Du großer
Gewaltiger Scheck l
Dich grüßen die Kuli's
Als Menschen im Streik!
*
*
*
„Der Appell an die Furcht findet keinen Widerhall in deutschen Herzen".
Dieser so allgemein bekannte Satz ist merkwürdiger Weise nur der „Nord-
deutschen Allgemeinen Zeitung" unbekannt geblieben, denn wie sie bei voriger
Wahl die Franzosenfurcht als Wahlparole ausgab, so appellirtsie diesmal
an die Gespensterfurcht, indem sie das rothe Gespenst in ihren Spalten
erscheinen läßt.
Ihr furchtloser und getreuer
Säge, Schreiner.
Der Zar kurnnrk.
Bon W. Hügel.
eilich mittags amme Uhrer viere 'rum
geh' ich, wie des so mei' Gewohn-
heit is, uff'm Bahnhofperron uff un'
ab, un' Hab' mer die Züg' die ab-
g'fahre un' ankumme sin' betracht'.
Ich werd' so 'ner Minute' zehne hin- un' Hergange sei', als uff emol zwanzig
Herre' aus'm Wartsaal erschter Klaff' rauskumme stn' un' sich uff'm Perron
uffg'stellt hawe. 'N jeder vunn denn Herre' hot de Frack getrage, weiße
Handschuh un' ditto Binde an- un' 'n Zylinder uffg'habt. „Dunnerwetter",
haw ich for mich gedenkt, „do muß der awer 'n vornehmer Herr hier an-
kumme, wenn die 'n in Frack un' Zylinder abhole' duhn?" Noch 'r e'
Weil haw' ich mei' Neigier nit mehr bezähme' könne' un' bin schnurstracks
uff eene vun denne nowel angezogene Herre zug'ange. „Erlawe Se gittgst,"
haw ich zu 'm g'sagt, derf ich Se vielleicht froge, wer dann do eigentlich
hier ankummt? Gewiß 'n hoher Herr?"
Der Angeredete hot mich erst e bissl sonderbar vun der Seit' angeguckt,
dann awer bedeitungsvoll 's linke Aag zugedrickt un' indem er sich zu mir
niederneigte, mir in's rechte Ohr geflüstert: „Sie haben es errathen, mein
Herr; die Person, welche wir erwarten, ist keine geringere, als der Far
aller Reußm!"
„Jessas," haw' ich ausgerufe, bin awer nit im Stand gewest noch e
Wort mehr sage' zu könne, denn der Herr im Frack hott mer die Hand uff
de Mund gelegt un' dabei „Pst" gemacht. „Reinen Mund gehalten, mein
Bester," flüsterte er mir uff's neue zu, „das was ich Ihnen soeben mittheilte,
braucht außer Ihnen un' unserer Debudation kein Mensch hier weiter zu
wissen!"
,,'M hm," haw ich dodruff gemacht, un' mit eene: „Merci, ich danke
Ihne aach scheen vor das Vertraue', des Se mer g'schenkt hawe," haw' ich
tief mei' Hut vor'm abgezoge' un' bin abg'schowe.
„Herrgott," haw ich dann in mich 'neingejuwelt, „Gottfried, was bischt
du vor e Glickskind! Was Millione vun Sterbliche versagt is, dir Gottfried
is's gewährt, du derfscht de Zar aller Reuße' vun Angesicht zu Angesicht
schauen . . ."
Aus mci'm Juwel bin ich durch den schrille' Pfiff der Lokomotiv' uff-
g'schreckt worre, dann der Zug, der den russische Kaiser als Passaschier mit
sich führte, war ewe in de Bahnhof eing'fahre. Als er stillg'stande is, sin
die befrackte Herre uff e Koups erschter Klaff' zug'ange, aus dem e dicker,
gemiethlich aussehendcr Mann gestiege' is. „Dunnerwetter," denk' ich for
mich, „der Zar sieht awer mol gemiethlich aus. Dem sieht's aach fee’
Mensch an, daß der iwer 82 Millionen Nihiliste herrscht?"
Ich wollt ewe mei' Hut zieh'n, als m'r 'n Anblick sich darbot, daß ich
vor Lache Hab' gemeent, ich mißt Verblatze. Der Herr, der aus'm Koups
gestiege war, hott' nämlich sei' Hut vor der Debudation abgezoge', un' dabei
'n Glatzkopp gezeigt, so schö un' großartig, als ich meiner Lebdag' noch keen'
g'sehe Hab'. Kaum Hot der Herr sei' Zylinder Hunne g'habt, als die annere
zwanzig wie uff Kommando uff een Schlag ewefalls die Zylinder abduhe,
und ewefalls zwanzig der scheenste Glatzköpp' zeige'. „Ha, ha," haw ich
gelacht, un' zu 'me Herr, der newer mir g'stande is, g'sagt: „Sie, des is
awer mol komisch, daß der Zar un' die Debudation dort all' mit'nander
so riesige Glatzköpp' hawe'?"
Der Herr hott mich ganz erstaunt angeguckt, un' dann g'sagt: „Mein
bester Mann, das ist nicht der Zar, und diese Herren hier sind auch keine
Deputation, sondern Mitglieder des „Kahlkopsvereins", die soeben ihren
Präsidenten, der.von der Sommerfrische zurückgekehrt, abholen!"
machen kennte. Also, lieber Jacob, noch mal, halte de Ohren un den
Daumen steif, det is meine beste Vermahnung, die ick Dir jeden kann, wo-
mit ick verbleibe
crjebenst un mit ville Jrieße Dein treier
Jotthilf Naucke.
An'n Jörlitzer Bahnhof jleich links.
Preisvertheilung.
Die Akademie Karnevalia hatte eine Anzahl . eise ausgesetzt für die
besten Arbeiten und Leistungen auf dem Gebiete deS höheren Ulks. Das
Urtheil des Preisgerichts hatte folgendes Ergebniß:
Mit dem ersten Preis wurde ein Aussatz bedacht über das Thema:
„Innung und Befähigungsnachweis. Der einzige Weg, auf
welchem das Handwerk seinen verlorenen goldenen Boden
wieder erhalten kann". Motto: „Der Zopf, der hängt ihm hinten".
Verfasser: Hofrath Reaktionarius.
Den zweiten Preis trug eine Abhandlung über die Judenfrage
davon. Motto: „Schmeißt ihn 'raus, den Juden Jtzig". Verfasser: Ritter-
gutsbesitzer Hypothekarius.
Der dritte Preis kommt nach dem einstimmigen Beschluß des Ge-
sammtvorstands unter denjenigen Kleinbauern zur Bertheilung, welche unter
Petitionen um Erhöhung der Getreidezölle ihren Namen gesetzt haben.
In Rentierskreisen.
A. : Sie, jetzt müssen wir uns nach Arbeit umschauen.
B. : War' mir schon zu dumm! Für was hätten wir denn nachher
unsere Zinsen zu verzehren, wenn wir arbeiten wollten?
A.: Ja, wissen Sie, es ist des politisches Renommes wegen. Sie
haben doch im Reichstagsbericht gelesen, daß Herrfurth uns Rentiers,
die wir nicht arbeiten, für Sozialdemokraten hält!
Hobelspähne.
Die Demaskirung dem Fasching folgt!
Dies diene dem Wähler zur Lehre.
Er soll in der heißen Wahlschlacht auch
Entlarven die Reaktionäre.
* *
*
Die bureaukratische Bergarbeiter-Enquete
hat zwar ein recht erfreuliches Resultat gehabt,
indem sie die große Mehrzahl der Bergarbeiter-
Beschwerden als unbegründet erwies und die Ur-
sachen des Streiks in Agitationen von Außen her
erkannte, aber wenn man nur noch ein wenig
gründlicher und energischer verfahren wäre, hätte
sich gewiß zur Evidenz herausgestellt, daß über-
haupt gar kein Bergarbciterstreik stattge-
funden hat.
* *
*
Die Kuli's sind Menschen!
Herr Bötticher sprach.
Nun ahmen den Weißen
Das Streiken sie nach.
Bötticher, Du großer
Gewaltiger Scheck l
Dich grüßen die Kuli's
Als Menschen im Streik!
*
*
*
„Der Appell an die Furcht findet keinen Widerhall in deutschen Herzen".
Dieser so allgemein bekannte Satz ist merkwürdiger Weise nur der „Nord-
deutschen Allgemeinen Zeitung" unbekannt geblieben, denn wie sie bei voriger
Wahl die Franzosenfurcht als Wahlparole ausgab, so appellirtsie diesmal
an die Gespensterfurcht, indem sie das rothe Gespenst in ihren Spalten
erscheinen läßt.
Ihr furchtloser und getreuer
Säge, Schreiner.
Der Zar kurnnrk.
Bon W. Hügel.
eilich mittags amme Uhrer viere 'rum
geh' ich, wie des so mei' Gewohn-
heit is, uff'm Bahnhofperron uff un'
ab, un' Hab' mer die Züg' die ab-
g'fahre un' ankumme sin' betracht'.
Ich werd' so 'ner Minute' zehne hin- un' Hergange sei', als uff emol zwanzig
Herre' aus'm Wartsaal erschter Klaff' rauskumme stn' un' sich uff'm Perron
uffg'stellt hawe. 'N jeder vunn denn Herre' hot de Frack getrage, weiße
Handschuh un' ditto Binde an- un' 'n Zylinder uffg'habt. „Dunnerwetter",
haw ich for mich gedenkt, „do muß der awer 'n vornehmer Herr hier an-
kumme, wenn die 'n in Frack un' Zylinder abhole' duhn?" Noch 'r e'
Weil haw' ich mei' Neigier nit mehr bezähme' könne' un' bin schnurstracks
uff eene vun denne nowel angezogene Herre zug'ange. „Erlawe Se gittgst,"
haw ich zu 'm g'sagt, derf ich Se vielleicht froge, wer dann do eigentlich
hier ankummt? Gewiß 'n hoher Herr?"
Der Angeredete hot mich erst e bissl sonderbar vun der Seit' angeguckt,
dann awer bedeitungsvoll 's linke Aag zugedrickt un' indem er sich zu mir
niederneigte, mir in's rechte Ohr geflüstert: „Sie haben es errathen, mein
Herr; die Person, welche wir erwarten, ist keine geringere, als der Far
aller Reußm!"
„Jessas," haw' ich ausgerufe, bin awer nit im Stand gewest noch e
Wort mehr sage' zu könne, denn der Herr im Frack hott mer die Hand uff
de Mund gelegt un' dabei „Pst" gemacht. „Reinen Mund gehalten, mein
Bester," flüsterte er mir uff's neue zu, „das was ich Ihnen soeben mittheilte,
braucht außer Ihnen un' unserer Debudation kein Mensch hier weiter zu
wissen!"
,,'M hm," haw ich dodruff gemacht, un' mit eene: „Merci, ich danke
Ihne aach scheen vor das Vertraue', des Se mer g'schenkt hawe," haw' ich
tief mei' Hut vor'm abgezoge' un' bin abg'schowe.
„Herrgott," haw ich dann in mich 'neingejuwelt, „Gottfried, was bischt
du vor e Glickskind! Was Millione vun Sterbliche versagt is, dir Gottfried
is's gewährt, du derfscht de Zar aller Reuße' vun Angesicht zu Angesicht
schauen . . ."
Aus mci'm Juwel bin ich durch den schrille' Pfiff der Lokomotiv' uff-
g'schreckt worre, dann der Zug, der den russische Kaiser als Passaschier mit
sich führte, war ewe in de Bahnhof eing'fahre. Als er stillg'stande is, sin
die befrackte Herre uff e Koups erschter Klaff' zug'ange, aus dem e dicker,
gemiethlich aussehendcr Mann gestiege' is. „Dunnerwetter," denk' ich for
mich, „der Zar sieht awer mol gemiethlich aus. Dem sieht's aach fee’
Mensch an, daß der iwer 82 Millionen Nihiliste herrscht?"
Ich wollt ewe mei' Hut zieh'n, als m'r 'n Anblick sich darbot, daß ich
vor Lache Hab' gemeent, ich mißt Verblatze. Der Herr, der aus'm Koups
gestiege war, hott' nämlich sei' Hut vor der Debudation abgezoge', un' dabei
'n Glatzkopp gezeigt, so schö un' großartig, als ich meiner Lebdag' noch keen'
g'sehe Hab'. Kaum Hot der Herr sei' Zylinder Hunne g'habt, als die annere
zwanzig wie uff Kommando uff een Schlag ewefalls die Zylinder abduhe,
und ewefalls zwanzig der scheenste Glatzköpp' zeige'. „Ha, ha," haw ich
gelacht, un' zu 'me Herr, der newer mir g'stande is, g'sagt: „Sie, des is
awer mol komisch, daß der Zar un' die Debudation dort all' mit'nander
so riesige Glatzköpp' hawe'?"
Der Herr hott mich ganz erstaunt angeguckt, un' dann g'sagt: „Mein
bester Mann, das ist nicht der Zar, und diese Herren hier sind auch keine
Deputation, sondern Mitglieder des „Kahlkopsvereins", die soeben ihren
Präsidenten, der.von der Sommerfrische zurückgekehrt, abholen!"