10 JOHANNES VOLKELT.
rungen. Alle Liebe geht vom Sehen aus: die sinnliche vom sinnlichen,
die geistige Liebe vom geistigen Sehen. Unser Geist erhebt sich von
bestimmten, abgegrenzten schönen Gestalten immer weiter hinauf bis
zum wahrhaft Schönen, das weder Grenze noch Umkreis hat.
Und zu denselben Höhen schwingt sich die Schaukraft Shaftes-
burys empor. In engem Anschluß an Piaton steigt sein Schauen von
der sinnlichen schönen Gestalt zur geistigen Schönheit der Gedanken,
Grundsätze, Handlungen und von da bis zu Gott als dem Urschönen
hinauf. Das klare künstlerische Auge Shaftesburys verfeinert und ver-
geistigt sich bis zum Schauen der übersinnlichen Schönheit. Für sein
auf Harmonie und Schönheit angelegtes Auge scheint das Geistige als
Geistiges eine der sinnlichen Schönheit analoge Gestalt zu gewinnen.
In Deutschland ist es vor allem die nachkantische spekulative
Ästhetik, wo das Schöne in das Absolute, in Gott hineingezogen wurde.
Schon dem späteren Fichte drängte sich die Intuition auf, daß »Gottes
inneres und absolutes Wesen« als Schönheit heraustrete, daß »die Ur-
quelle der Schönheit allein in Gott sei« (in der 9. Vorlesung der »An-
weisung zum seligen Leben«). Seine Gottbegeisterung ließ ihn mit
der Schönheit nicht haltmachen vor den Tiefen der Gottheit; sondern
die Schönheit erschien ihm als ein so Heiliges, daß sie der Herrlich-
keit Gottes nicht vorenthalten werden dürfe. Insbesondere aber sind
es Schelling und die ihm nahestehenden Ästhetiker, die dem Schönen
diese Transzendenz geben. Der Gehalt des Schönen wird derart ins
Unendliche, Absolute, Göttliche gesteigert, daß die sinnliche, endliche
Form des Schönen gleichsam verzehrt wird. Und nun soll doch der
so schrankenlos vergeistigte und unendliche Gehalt im Besitze der
eigentümlichen Form des Schönen bleiben.
Schellings grundlegende ästhetische Sätze bewegen sich durchs
gehends im Reiche des Ewigen, in einer Sphäre, wo alle Unterschiede
und Besonderheiten in Einheit aufgelöst sind, weit jenseits also aller
sinnlichen, endlichen Gestalt. Er geht von dem absoluten, in ewiger
Schönheit gebildeten Kunstwerk aus, und als dieses gilt ihm das in
Gott bestehende ideale, urbildliche Universum. Gott ist der unmittel-
bare Quell aller Schönheit, er schließt die ewige Schönheit in sich. In
seinen Vorlesungen über »Philosophie der Kunst«, im ersten Teil seines
»Bruno«, auch in den Vorlesungen über das »System der gesamten
Philosophie« entwickelt Schelling die Lehre vom Schönen in Gott.
Nun sind diese Entwicklungen freilich in der Form von begriff-
lichen »Konstruktionen« gehalten. Den Lehrsätzen werden Beweise
hinzugefügt. Rein denknotwendig sollen sich die Begriffe knüpfen und
weiterschlingen. Allein dies ist doch nur äußerliches Gewand: In
Wahrheit bewegt sich Schelling durchweg im Medium einer intellek-
rungen. Alle Liebe geht vom Sehen aus: die sinnliche vom sinnlichen,
die geistige Liebe vom geistigen Sehen. Unser Geist erhebt sich von
bestimmten, abgegrenzten schönen Gestalten immer weiter hinauf bis
zum wahrhaft Schönen, das weder Grenze noch Umkreis hat.
Und zu denselben Höhen schwingt sich die Schaukraft Shaftes-
burys empor. In engem Anschluß an Piaton steigt sein Schauen von
der sinnlichen schönen Gestalt zur geistigen Schönheit der Gedanken,
Grundsätze, Handlungen und von da bis zu Gott als dem Urschönen
hinauf. Das klare künstlerische Auge Shaftesburys verfeinert und ver-
geistigt sich bis zum Schauen der übersinnlichen Schönheit. Für sein
auf Harmonie und Schönheit angelegtes Auge scheint das Geistige als
Geistiges eine der sinnlichen Schönheit analoge Gestalt zu gewinnen.
In Deutschland ist es vor allem die nachkantische spekulative
Ästhetik, wo das Schöne in das Absolute, in Gott hineingezogen wurde.
Schon dem späteren Fichte drängte sich die Intuition auf, daß »Gottes
inneres und absolutes Wesen« als Schönheit heraustrete, daß »die Ur-
quelle der Schönheit allein in Gott sei« (in der 9. Vorlesung der »An-
weisung zum seligen Leben«). Seine Gottbegeisterung ließ ihn mit
der Schönheit nicht haltmachen vor den Tiefen der Gottheit; sondern
die Schönheit erschien ihm als ein so Heiliges, daß sie der Herrlich-
keit Gottes nicht vorenthalten werden dürfe. Insbesondere aber sind
es Schelling und die ihm nahestehenden Ästhetiker, die dem Schönen
diese Transzendenz geben. Der Gehalt des Schönen wird derart ins
Unendliche, Absolute, Göttliche gesteigert, daß die sinnliche, endliche
Form des Schönen gleichsam verzehrt wird. Und nun soll doch der
so schrankenlos vergeistigte und unendliche Gehalt im Besitze der
eigentümlichen Form des Schönen bleiben.
Schellings grundlegende ästhetische Sätze bewegen sich durchs
gehends im Reiche des Ewigen, in einer Sphäre, wo alle Unterschiede
und Besonderheiten in Einheit aufgelöst sind, weit jenseits also aller
sinnlichen, endlichen Gestalt. Er geht von dem absoluten, in ewiger
Schönheit gebildeten Kunstwerk aus, und als dieses gilt ihm das in
Gott bestehende ideale, urbildliche Universum. Gott ist der unmittel-
bare Quell aller Schönheit, er schließt die ewige Schönheit in sich. In
seinen Vorlesungen über »Philosophie der Kunst«, im ersten Teil seines
»Bruno«, auch in den Vorlesungen über das »System der gesamten
Philosophie« entwickelt Schelling die Lehre vom Schönen in Gott.
Nun sind diese Entwicklungen freilich in der Form von begriff-
lichen »Konstruktionen« gehalten. Den Lehrsätzen werden Beweise
hinzugefügt. Rein denknotwendig sollen sich die Begriffe knüpfen und
weiterschlingen. Allein dies ist doch nur äußerliches Gewand: In
Wahrheit bewegt sich Schelling durchweg im Medium einer intellek-