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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 18.1925

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Volkelt, Johannes: Zur Psychologie des ästhetischen Genießens
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https://doi.org/10.11588/diglit.3820#0015

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12 JOHANNES VOLKELT.

des Übersinnlichen, in Gott existierende Schönheit geben könne. Ich
will das metaphysische Gebiet zunächst nicht betreten, sondern bei
psychologischer Betrachtung bleiben. Was geht im Bewußtsein vor,
wenn sich der Geist dem Schauen der ewigen Schönheit hingibt?

Vorausgesetzt wird also die Tatsache, daß es Menschen gibt, die
das Urschöne, die Idee der Schönheit, das Schöne in Gott oder wie
man sonst die in die Sphäre des Unsinnlichen gehobene Schönheit
bezeichnen mag, unmittelbar zu schauen überzeugt sind. Angesichts
der vorliegenden Zeugnisse kann daran nicht gezweifelt werden, daß
Piaton, Plotinos usw. dessen gewiß waren, die unsinnliche Schönheit
vor ihrem Geiste gegenwärtig zu haben. Vielleicht befanden sie sich
hiermit in Selbsttäuschung. Aber die Gewißheit, den Glauben, das
Urschöne zu schauen, hatten sie jedenfalls.

Zunächst fällt an den Äußerungen über diesen Zustand die Über-
schwenglichkeit der Beglückung in die Augen. Es ist ein Höchstes
an Lust, was gefühlt wird, und zwar ein Höchstes nicht nur etwa dem
Grade, sondern auch der Qualität nach. Denn die hier entspringende
Lust erhält ihre Grundfarbe durch die Entrücktheit des Schauenden:
er ist gewiß, über das ihn sonst fesselnde Reich des Irdischen und
Endlichen hinausgehoben und in ein unvergleichlich reineres, freieres,
vollkommeneres Dasein eingetreten zu sein. Daher kommt es auch,
daß diese Lust den Charakter des Wunderbaren, des Geheimnistiefen
trägt und gegenüber jedem Versuche, sie an Bekanntem zu messen,
ins völlig Andersartige ausweicht. Man könnte daher das Wort »Selig-
keit«, wenn man nicht vorzieht, es für die Sphäre des Heiligen, die
Religion, aufzusparen, für diesen Zustand der Beglückung und Ent-
zückung gebrauchen. Aber auch darum ist das Wort »Seligkeit« hier-
für eine passende Bezeichnung, weil durch »Seligkeit« die vollkommene
Ruhe des Genießens betont ist. Wo Seligkeit herrscht, dort schweigt
jedes darüber hinaus verlangende Wünschen und Trachten. Und dies
gilt eben auch von dem Zustande der Beglückung im Erschauen des
Urschönen.

4. Entscheidend wird nun für die weitere Beschreibung des Be-
wußtseinsvorganges, welcher der Behauptung, das Urschöne zu schauen,
zugrunde liegt, die einfache Einsicht, daß so etwas wie ein wirk-
liches Schauen des Urschönen eine psychologische Unmöglichkeit ist.
Mache ich mit dem Schauen Ernst, ist es mehr als eine bloße über-
treibende Redensart, so muß eine Sinnenform gegeben sein, sei es für
das Auge, sei es für die Phantasie. Das Urschöne dagegen soll, so
wird von dem begeistert Schauenden versichert, jeder Sinnenform ent-
behren: es ist ja überräumlich, überzeitlich, übersinnlich. Auch ist zu
bedenken: die Gestalt muß, wenn sie geschaut werden soll, individuell
 
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