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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 18.1925

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Volkelt, Johannes: Zur Psychologie des ästhetischen Genießens
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https://doi.org/10.11588/diglit.3820#0019

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16 • JOHANNES VOLKELT.

den zu dem klaren Weltauge, sein Verlangen nach Erlösung durch die
Kunst weist unverkennbar einen Grundzug religiöser Mystik auf, i

So ist also die intuitive Gewißheit, auf welche die Erschauer des
Urschönen eingestellt sind, ein Mittleres aus ästhetischer und religiöser
Intuition. Beide Typen der Intuition sind daran beteiligt. Jeder Leser,
der sich in die fraglichen Darlegungen bei Piaton, Plotinos, Bruno usw.
vertieft, wird den Eindruck empfangen, daß ihre Intuitionen vom Ur-
schönen sowohl aus ästhetischem wie auch aus religiösem Sehnen
ihre Nahrung zogen.

7. Ich habe nicht die Absicht, hier auf das metaphysische Problem
einzugehen. Nur in Form einer Konsequenz will ich es berühren.

In dem dritten Bande meines »Systems der Ästhetik« (S. 501 ff.)
habe ich ausgeführt, daß dem Sein der absolute Wert, das absolute
Sollen — natürlich nicht zeitlich, sondern nur sachlich — vorauszu-
stellen sei. Das Absolute, Gott, ist der sich selbst als Wirklichkeit
gegenwärtige absolute Wert. Den Inhalt Gottes bildet der absolute
Wert. Und die Wirklichkeit Gottes ist gleichfalls nichts Anderes als der
absolute Wert. Absolute Wirklichkeit und absoluter Wert sind Eines.

Stellt man sich auf diesen Boden, so ist damit die Konsequenz
gesetzt, daß der absolute Geist alle Selbstwerte in sich schließt. Der
absolute Geist als der absolute Wert ist, wie ich mich dort ausdrückte
(S. 538), »die einheitliche Wurzel, die einheitliche Tiefe«, in welche die
Selbstwerte zusammengehen. Zu den Selbstwerten gehört nun auch
das Ästhetische. So wahr das Ästhetische zu den unbedingten, in
sich gegründeten, in sich ihren Zweck habenden Werten, das ist eben:
den »Selbstwerten« gehört, so wahr muß es in seiner Vollendung, in
seiner musterbildlichen Gestalt (und ich will es insofern als das »Ur-
schöne« bezeichnen), in dem absoluten Werte, in Gott beschlossen
sein. Diese Konsequenz läßt sich nicht abweisen.

Es würde sonach nicht etwa nur anzunehmen sein, daß in dem Ent-
wicklungsgange des Absoluten an einer bestimmten Stelle — nämlich
im menschlichen Bewußtsein — das Phänomen des Ästhetischen ent-
springt. Vielmehr würde schon in die Wesenheit des absoluten Geistes
selbst die Wesenheit des absoluten Schönen hereinzuziehen sein. Wird
also Ernst damit gemacht, daß der absolute Geist die Wirklichkeit des
absoluten Wertes ist, so muß man sich konsequentermaßen auch zu
dem Satze bekennen, daß der absolute Geist in sich das Urschöne
schaue und habe. Selbstverständlich ist dieser Satz nicht selbst als
von uns erschaut anzusehen, sondern er darf nur als ein begrifflich-
logisches, jedoch unausdenkbares Postulat gelten, als ein »Gemeintes«,
auf das wir auf Grund denknotwendiger Erwägungen hinzielen.
 
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