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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 18.1925

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Utitz, Emil: Zum Schaffen des Künstlers
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https://doi.org/10.11588/diglit.3820#0063

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60 EMIL UTITZ.

zu klären. In dieser Aufgabe gründen Anspruch und Recht einer
allgemeinen Kunstwissenschaft, wie ich sie vertrete und auffasse. Ist
nun das Wesen der Kunst erkannt, erhebt sich die Frage nach dem
Wesen des Künstlers: denn die Kunst bestimmt den Künstler, wie
die Wissenschaft ihre Jünger. Nur als Kunstschöpfer tritt in diesem
Betracht der Künstler auf. Welche notwendigen Anlagen oder Eigen-
schaften sind aber die unerläßlichen, unverlierbaren Bedingungen jener
Künstlerschaft? So fragen wir von der Kunst her, und so sind wir
gezwungen zu fragen. Dann aber klauben wir auch nicht zufällige
Erkenntnisse auf, raffen hier und dort eifrig Material zusammen oder
türmen luftige Spekulationen; nein: der systematische Einheitsbezug
scheint gesichert, die Bahn abgesteckt. Wenn nun jegliche Kunst eine
spezifische Gestaltung ist, — eine nähere Charakteristik würde den
Vortrag belasten — was gehört zum Vollzug gerade dieser und keiner
anderen Gestaltung? Unser Aufmerken richtet sich nicht zuerst auf
die Entfaltung einer reichen Typologie, auf die zarten Schattierungen
besonderer Differenzen, vielmehr auf das Wesensnotwendige. Ist dieses
angemessen gedeutet, wird auch die Möglichkeit der Abzweigungen
und Verzweigungen sichtbar.

Auf jenes Wesensnotwendige zielten nun — obgleich keineswegs
stets bewußt — die vielen Versuche, ein eng umschriebenes Moment
für das künstlerische Schaffen haftbar zu machen: z. B. die Phantasie
oder die Erlebnistiefe. Zumal die Phantasie erfreut sich heute als ver-
meintliches Quellgebiet künstlerischen Schaffens auffälliger Beliebheit.
Denn in ihr hofft man die entscheidend gestaltenden Vorgänge zu ent-
decken. Aber das Spielen mit Phantasiebildern genügt gewiß nicht.
Ich vermag ihren schwebenden Zug zu genießen und mich an diesem
Genuß zu beruhigen. Oder es schmerzt mich, das Entschwebende
nicht festhalten zu können. Jedoch nicht weil es mir an Phantasie
fehlt, sondern weil offenbar anderes mangelt. Ja selbst das eigentlich
Phantastische in der Kunst erscheint bloß als eine ihrer Formen und
führt bei Überbetonung zu irrigen Wertungen. Sucht man nach ver-
söhnendem Ausgleich, beginnt der Phantasiebegriff zu schillern: er
wird gedehnt und gepreßt, in diesem und jenem Sinne verwendet.
Trachtet man weiter danach, die künstlerische Phantasie abzuheben
von der des Wissenschaftlers, des Technikers usw., muß man bald
merken, daß die Eigenart der künstlerischen Phantasie nicht primär
aus ihr selbst zu begreifen ist, sondern aus ihrer Einbettung in einen
bestimmten Lebensprozeß — um mich hier dieses farblosen Wortes
zu bedienen, das noch keine standpunktlichen Festlegungen einschließt.
Die Erfassung jener Ganzheit beleuchtet erst die Teilmomente und
ihren Zusammenhang. Gleiches gilt von der behaupteten Erlebnistiefe-
 
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