66 EMIL UTITZ.
können wir auch vielleicht die Bedeutung von Intuition, Technik und
den anderen Momenten begreifen, die isoliert oft in den Vordergrund
gerückt werden, und deren Stellenwert darum schwankend und un-
gewiß bleibt. Mit voller Sicherheit dürfen wir z. B. sagen, daß es eine
allgemeine oder absolute Technik nicht geben könne. Stets handelt
es sich um das Auswachsen eines ganz bestimmten künstlerischen
Erlebnisses im Kunstwerk; dann muß sich eben die Technik diesem
Einzelfall angleichen; er beglaubigt sie erst. Und ringt der Künstler
immer um Technik, so kämpft er um die geschmeidigen Mittel, sich
frei — innerer Notwendigkeit folgend — ausleben zu können. Aber
diese Mittel beeinflussen nun wieder rückwirkend das Erleben selbst
in mannigfacher Weise. Wie das Materialgemäße, so geht auch das
Technische in das Erleben ein und steht ihm nicht wie ein Fremd-
körper gegenüber. Gerade deswegen wechseln oft zärtliche Liebe und
leidenschaftlicher Haß; je nach der Beschwingung oder Hemmung.
Ja die technischen Geleise werden bisweilen so fest eingekerbt, daß
alles Erleben allzu schnell und reibungslos durch sie erledigt wird.
Da haben wir den Fall erstarrter Manier. Und diese Manier bemäch-
tigt sich auch schon des Erlebensansatzes. Im zweiten Bande meiner
»Grundlegung der allgemeinen Kunstwissenschaft« (1920) habe ich
versucht, das Bild des künstlerischen Schaffens im einzelnen auszu-
malen; hier kam es mir darauf an, die charakterogenen Grundlinien
schärfer zu belichten.
Stellt man nun die entscheidende Frage, wie es denn letzthin
möglich sei, daß jenes gestaltende Ausleben im objektiven Wert des
Kunstwerks sich niederschlage, landet man bei einer der Prinzipien-
fragen der gesamten Kulturphilosophie, einer Problematik, die weit
über das Gebiet der Kunst hinausreicht und in gleicher Weise für
Wissenschaft, Ethik, Religion gilt. Nur dieser lockende Ausblick ist
uns hier gestattet; in diesem Zusammenhang müssen wir uns mit dem
Bescheid begnügen, daß jenes künstlerische Erlebnis kraft der charak-
terologischen Eigenart seines Trägers sich gar nicht anders entfalten
kann als in der Gestaltung zum Kunstwerk, weil jede andere Bahn
ihm versperrt ist, keine zum Ziele führt, als eben diese eine. Immer mehr
vergegenständlicht sich das Erlebnis und strahlt nun rein, befreit, er-
löst seinen Träger an. Und das bedeutet hier die Kunst, und in
diesem Sinne wird der Künstler zu seinem eigenen idealen Publikum.
Das schließt nicht aus, daß das Werk seinen Erzeuger ausgehöhlt, er-
mattet zurückläßt, oder auch unzufrieden zweifelnd. Wie auch gewal-
tiges Geschehen uns verarmt entlassen kann oder unruhig, weil wir
uns völlig verausgabt haben, oder weil der Erlebensdrang sich nicht
restlos stillte, oder weil endlich die Tat doch anders wurde, als man
können wir auch vielleicht die Bedeutung von Intuition, Technik und
den anderen Momenten begreifen, die isoliert oft in den Vordergrund
gerückt werden, und deren Stellenwert darum schwankend und un-
gewiß bleibt. Mit voller Sicherheit dürfen wir z. B. sagen, daß es eine
allgemeine oder absolute Technik nicht geben könne. Stets handelt
es sich um das Auswachsen eines ganz bestimmten künstlerischen
Erlebnisses im Kunstwerk; dann muß sich eben die Technik diesem
Einzelfall angleichen; er beglaubigt sie erst. Und ringt der Künstler
immer um Technik, so kämpft er um die geschmeidigen Mittel, sich
frei — innerer Notwendigkeit folgend — ausleben zu können. Aber
diese Mittel beeinflussen nun wieder rückwirkend das Erleben selbst
in mannigfacher Weise. Wie das Materialgemäße, so geht auch das
Technische in das Erleben ein und steht ihm nicht wie ein Fremd-
körper gegenüber. Gerade deswegen wechseln oft zärtliche Liebe und
leidenschaftlicher Haß; je nach der Beschwingung oder Hemmung.
Ja die technischen Geleise werden bisweilen so fest eingekerbt, daß
alles Erleben allzu schnell und reibungslos durch sie erledigt wird.
Da haben wir den Fall erstarrter Manier. Und diese Manier bemäch-
tigt sich auch schon des Erlebensansatzes. Im zweiten Bande meiner
»Grundlegung der allgemeinen Kunstwissenschaft« (1920) habe ich
versucht, das Bild des künstlerischen Schaffens im einzelnen auszu-
malen; hier kam es mir darauf an, die charakterogenen Grundlinien
schärfer zu belichten.
Stellt man nun die entscheidende Frage, wie es denn letzthin
möglich sei, daß jenes gestaltende Ausleben im objektiven Wert des
Kunstwerks sich niederschlage, landet man bei einer der Prinzipien-
fragen der gesamten Kulturphilosophie, einer Problematik, die weit
über das Gebiet der Kunst hinausreicht und in gleicher Weise für
Wissenschaft, Ethik, Religion gilt. Nur dieser lockende Ausblick ist
uns hier gestattet; in diesem Zusammenhang müssen wir uns mit dem
Bescheid begnügen, daß jenes künstlerische Erlebnis kraft der charak-
terologischen Eigenart seines Trägers sich gar nicht anders entfalten
kann als in der Gestaltung zum Kunstwerk, weil jede andere Bahn
ihm versperrt ist, keine zum Ziele führt, als eben diese eine. Immer mehr
vergegenständlicht sich das Erlebnis und strahlt nun rein, befreit, er-
löst seinen Träger an. Und das bedeutet hier die Kunst, und in
diesem Sinne wird der Künstler zu seinem eigenen idealen Publikum.
Das schließt nicht aus, daß das Werk seinen Erzeuger ausgehöhlt, er-
mattet zurückläßt, oder auch unzufrieden zweifelnd. Wie auch gewal-
tiges Geschehen uns verarmt entlassen kann oder unruhig, weil wir
uns völlig verausgabt haben, oder weil der Erlebensdrang sich nicht
restlos stillte, oder weil endlich die Tat doch anders wurde, als man