94 AUGUST SCHMARSOW.
betont, der ja als Grenze der kontinuierlichen Fläche schon auf dem
unbenutzten Blatte eine Sonderstellung einnimmt.« Und welche wäre
diese? Die Grenze gegen das Unbezeichnete ringsum ist ein Ord-
nungswert, die Betonung des Randes also eine Anerkennung der Form
als gegeben, d. h. eine Wertbezeichnung, und schon die schlichte
Randleiste, die Wiederholung der geraden Linie ist ein Ornament. »Wir
nennen Ornament eine von Ordnungsgesetzen beherrschte Schmuck-
form, ohne Rücksicht auf ihre Verwendung an einem bestimmten Ort.«
Hier handelt es sich aber um die Anbringung an einem solchen, und
damit erfüllt sich das Eigengesetz der vorgefundenen Form, »die Ord-
nung, die nicht von einem Darstellungsstoff, sondern von abstrakten
formalen Prinzipien diktiert ist«. Auch für uns ist das Wichtigste,
»daß solche Ordnungstendenzen sich zwangsläufig einstellen«, und
zwar in allen hier berührten Fällen hervorgerufen durch die Begegnung
mit dem darauf angelegten oder dazu brauchbaren Objekt, — und
weiter liegt uns an der Tatsache, daß solches Ordnungsbedürfnis des
menschlichen Geistes um so sicherer hervortritt, je weniger noch irgend-
welche Abbildetendenz bei solchen Farbenflecken oder Linienzügen
im Spiel ist. Hier geschieht also genau dasselbe, wie bei der räum-
lichen Aufteilung eines geebneten Feldes, auf dem die Abgrenzung
durch sichtbare Zeichen und die innere Gliederung durch Reihen ein-
gesteckter Pflöckchen den Anfang einer aufzurichtenden Ordnung, eines
Tempelbezirks, einer Wohnstätte bedeutet; das aber rechnen wir zu
den Anfangsgründen der Raumgestalterin Architektur und nicht zu
denen der Ornamentik: es sind schon Elemente der Tektonik und
Struktur, die bei der Gefäßbildung und beim Rahmengefüge auch als
solche anerkannt werden.
Die zweckfreie, von jeder Anwandlung der Abbildelust noch unbe-
rührte Ausdrucksbetätigung bedarf auch nicht einmal mitgebrachter An-
schauungsbilder für solche kritzelnden und pinselnden Ergüsse, als ob
dergleichen Anwärter einer sichtbaren Erscheinungswelt schon inwendig
sozusagen an der Schwelle warteten. Auch ohne sie mag es unter
der Berührung des Griffels mit ausgebreiteter Unterlage, der Finger
mit der aufrechten Wand oder Tafel, hervorquellen und vollends erst
unter den nachfolgenden Blicken und beim Widerstand des Objekts
zur Sichtbarkeit hinausgedeihen. Denn es sind oft im Grunde rein
motorische Regungen und dunkle augenlose Gefühle, die unter solchen
verfeinernden und ihre Tiefenrichtung nach vorwärts verschlingenden
Handbewegungen zutage treten, an die Oberfläche gelangen und sich
notgedrungen ihrer ursprünglichen Natur entfremden müssen, um nur
das Licht zu gewinnen. Immerhin bleibt es möglich, daß auch in
solchen Prozessen der Metamorphose sich aus dem Spiel der Nieder-
betont, der ja als Grenze der kontinuierlichen Fläche schon auf dem
unbenutzten Blatte eine Sonderstellung einnimmt.« Und welche wäre
diese? Die Grenze gegen das Unbezeichnete ringsum ist ein Ord-
nungswert, die Betonung des Randes also eine Anerkennung der Form
als gegeben, d. h. eine Wertbezeichnung, und schon die schlichte
Randleiste, die Wiederholung der geraden Linie ist ein Ornament. »Wir
nennen Ornament eine von Ordnungsgesetzen beherrschte Schmuck-
form, ohne Rücksicht auf ihre Verwendung an einem bestimmten Ort.«
Hier handelt es sich aber um die Anbringung an einem solchen, und
damit erfüllt sich das Eigengesetz der vorgefundenen Form, »die Ord-
nung, die nicht von einem Darstellungsstoff, sondern von abstrakten
formalen Prinzipien diktiert ist«. Auch für uns ist das Wichtigste,
»daß solche Ordnungstendenzen sich zwangsläufig einstellen«, und
zwar in allen hier berührten Fällen hervorgerufen durch die Begegnung
mit dem darauf angelegten oder dazu brauchbaren Objekt, — und
weiter liegt uns an der Tatsache, daß solches Ordnungsbedürfnis des
menschlichen Geistes um so sicherer hervortritt, je weniger noch irgend-
welche Abbildetendenz bei solchen Farbenflecken oder Linienzügen
im Spiel ist. Hier geschieht also genau dasselbe, wie bei der räum-
lichen Aufteilung eines geebneten Feldes, auf dem die Abgrenzung
durch sichtbare Zeichen und die innere Gliederung durch Reihen ein-
gesteckter Pflöckchen den Anfang einer aufzurichtenden Ordnung, eines
Tempelbezirks, einer Wohnstätte bedeutet; das aber rechnen wir zu
den Anfangsgründen der Raumgestalterin Architektur und nicht zu
denen der Ornamentik: es sind schon Elemente der Tektonik und
Struktur, die bei der Gefäßbildung und beim Rahmengefüge auch als
solche anerkannt werden.
Die zweckfreie, von jeder Anwandlung der Abbildelust noch unbe-
rührte Ausdrucksbetätigung bedarf auch nicht einmal mitgebrachter An-
schauungsbilder für solche kritzelnden und pinselnden Ergüsse, als ob
dergleichen Anwärter einer sichtbaren Erscheinungswelt schon inwendig
sozusagen an der Schwelle warteten. Auch ohne sie mag es unter
der Berührung des Griffels mit ausgebreiteter Unterlage, der Finger
mit der aufrechten Wand oder Tafel, hervorquellen und vollends erst
unter den nachfolgenden Blicken und beim Widerstand des Objekts
zur Sichtbarkeit hinausgedeihen. Denn es sind oft im Grunde rein
motorische Regungen und dunkle augenlose Gefühle, die unter solchen
verfeinernden und ihre Tiefenrichtung nach vorwärts verschlingenden
Handbewegungen zutage treten, an die Oberfläche gelangen und sich
notgedrungen ihrer ursprünglichen Natur entfremden müssen, um nur
das Licht zu gewinnen. Immerhin bleibt es möglich, daß auch in
solchen Prozessen der Metamorphose sich aus dem Spiel der Nieder-