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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 18.1925

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Panofsky, Erwin: Über das Verhältnis der Kunstgeschichte zur Kunsttheorie
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https://doi.org/10.11588/diglit.3820#0133

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130 ERWIN PANOFSKY.

Widerspruche begegnet zu sein; gegen den positiven jedoch — d. h.
gegen die These von der Möglichkeit und Notwendigkeit a priori gültiger
kunstwissenschaftlicher Grundbegriffe — hat letzthin Alexander Dorner
eine Reihe von Einwänden geltend gemacht1). Diese Einwände haben
unseren Standpunkt in nichts zu erschüttern vermocht, da sie teils auf
einem grundsätzlichen Mißverständnis unserer Ansichten2), teils auf
einer, wie wir glauben, irrigen Auffassung von dem Verhältnis zwischen
apriorischer und aposteriorischer Erkenntnis beruhen. Immerhin haben
sie die Notwendigkeit dargetan, die rein programmatischen Ausfüh-
rungen jener älteren Arbeit ein wenig weiter auszuführen und einmal
das theoretische Wesen, sodann aber auch die praktisch-me-
thodische Bedeutung der kunstwissenschaftlichen Grundbegriffe,
und damit das Verhältnis zwischen Kunsttheorie und Kunst-
geschichte etwas eingehender zu erörtern.

A.

I. Unter den kunstwissenschaftlichen »Grundbegriffen«, von deren
Geltung und Gewinnung zunächst die Rede sein soll, verstehen wir
Begriffspaare (daß und warum es nur Begriffspaare sein können,
wird aus den nachfolgenden Darlegungen ohne weiteres klar werden),
in deren An tithetik die a priori gesetzten »Grundprobleme«
des künstlerischen Schaffens ihren begrifflichen Aus-
druck finden.

Man pflegt bei der Betrachtung der Kunstwerke von »künstle-
rischen Problemen« zu sprechen, als deren »Lösung« man das Kunst-
werk auffassen zu dürfen glaubt. Solche Probleme (wie etwa die
Probleme »Longitudinaltendenz und Zentralisierungstendenz«, »Säule
und Wand«, »Einzelfigur und Gesamtaufbau«) stellen sich nun stets
in der Form eines Gegensatzes dar, zwischen dessen Polen das
Kunstwerk in irgend einer Form einen Ausgleich schafft; und eben die
besondere Art und Weise dieses Ausgleichs ist es, worin die künstle-
rische Eigenart eines bestimmten Kunstwerks oder einer bestimmten
Gruppe von Kunstwerken besteht, wodurch das Kunstwerk sich »seine«,
von der empirischen Wirklichkeit grundsätzlich unabhängige Welt kon-
stituiert. Alle diese künstlerischen Probleme nun (und eben deshalb
sind sie nur als Antithesen formulierbar) sind implizite ^schlössen oder
enthalten in einem einzigen großen Urproblem, das st nerseits die Form
einer Antithese besitzt und — insofern es sich mit Notwendigkeit aus
den Bedingungen des künstlerischen Schaffens als solchen ergibt —

') Zeitschr. f. Ästhetik u. allgem. Kunstwissensch. XVI, 1922, S. 216 ff.
2) Die Aufklärung dieser Mißverständnisse ist, um die gegenwärtige Darlegung
nicht zu sehr zu belasten, einem Exkurse (S. 158 ff.) vorbehalten geblieben.
 
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