STUDIEN ZU HEINRICH VON KLEIST. 277
Zeilen durchglüht das Seelenfeuer von Kleists Dramen, doch auch der
vernichtende Rausch seiner menschlichen Krisen, wann immer »ein
einziges, ein höchstes Ziel gesunken« schien. Wohl ist dies Gleichnis
überhaupt vom Wesen Kleistischen Heldenschicksals. Doch am un-
mittelbarsten fühlt man sich an die Penthesilea gemahnt. Es bleibe
ungefragt, wie weit zwischen dem Gleichnis des Briefes und dem
Drama Zusammenhang des Werdens besteht — denn diese Frage des
Ursprungs ist nicht in unserem Betrachtenskreis —, wohl aber sieht
das fertige Werk als Form einer einzigen, großen, dramatischen Aus-
gestaltung der Metapher gleich. Die innere Gestalt des Ganzen hat
etwas vom »Agon«. Es ist freilich, was hier vom Wettkampf glühen-
der und heldischer Jugend genommen ist, nichts Griechisches, nicht
der Agon, wie er dieses Lebens Grund war: die natürliche schöne
stetige Feier einer Existenz, der alle höchsten Wettspiele und Siege
des Geistes aufblühen aus der im Wettstreit immer neu bestätigten und
gesteigerten Sieghaftigkeit des Leibes. Anders auch wirkt dies Gleich-
nis als etwa in Goethes Jugendsprache. Da ist es Sinnbild gefahr-
bestehender Lebensfülle, siegdurchglühter Jugend, es ist ihm aber auch
Zeugnis der bändigenden Kraft, des i-ixpatsiv Sövaaftat. Für Kleist
bedeutet der'Wettlauf Ungebändigtes, Jagen nach höchstem Ruhm,
lebeneinsetzendes Hochbegehr, Unaufhaltsamkeit, Todesnähe und strah-
lender Sieg in eins — es ist vom Ikarusflug und -stürz darin —, herr-
liche Hybris leiblicher wie seelischer Kräfte.
Mit all diesen Elementen aber erleuchtet er ihm auch die Liebe
neu, wie einzig sie Sinnbild der innersten Kleistischen Seelengewalt
werden konnte, die Liebe, wo sie dem Agon verwandt ist, ein Erringen-
und Bezwingenwollen, bei dem der Siegerwille sich bis in den Ver-
nichtungswillen steigern muß, eben darum weil man ja selbst das
ganze Leben zum Einsatz macht. Wenn der ganze Szenenablauf bis
zur Liebesbegegnung zwischen Achill und Penthesilea nichts ist als
ein Vorbeisturz von Verfolgungsbildern, Nachjagen, Entrinnen, Taumeln,
Stürzen, Wiederaufraffen, so ist hier Ursprung spürbar aus Reinstem:
Gebundensein kostbaren Geblüts an den geliebten Gegner und nur
an diesen, den überwindend, von dem überwunden die Seele allein
ihr Maß besitzt. Hier siegend steigt sie zu den Göttern, hier ver-
fehlend muß die auf schmälster Bahn Vorwärtsrasende abstürzen in
ein Grundloses, verwildern in ein Chaos. Keinem Maße der Wirklich-
keit biegt sich dieses lodernde Wesen — von reiner Flamme lodernd —,
das sein Alles auf einen Wurf setzt, und so tödlich unbeugsam ist ihr
Seelenadel, daß ihm der Wahnsinn nächster Nachbar wird. Sicherlich,
die atmosphärische Spannung des Werkes ist mänadische Wildheit
vom Kampf- und Liebesbegehren; wohl fiebert die Sprache oft im
Zeilen durchglüht das Seelenfeuer von Kleists Dramen, doch auch der
vernichtende Rausch seiner menschlichen Krisen, wann immer »ein
einziges, ein höchstes Ziel gesunken« schien. Wohl ist dies Gleichnis
überhaupt vom Wesen Kleistischen Heldenschicksals. Doch am un-
mittelbarsten fühlt man sich an die Penthesilea gemahnt. Es bleibe
ungefragt, wie weit zwischen dem Gleichnis des Briefes und dem
Drama Zusammenhang des Werdens besteht — denn diese Frage des
Ursprungs ist nicht in unserem Betrachtenskreis —, wohl aber sieht
das fertige Werk als Form einer einzigen, großen, dramatischen Aus-
gestaltung der Metapher gleich. Die innere Gestalt des Ganzen hat
etwas vom »Agon«. Es ist freilich, was hier vom Wettkampf glühen-
der und heldischer Jugend genommen ist, nichts Griechisches, nicht
der Agon, wie er dieses Lebens Grund war: die natürliche schöne
stetige Feier einer Existenz, der alle höchsten Wettspiele und Siege
des Geistes aufblühen aus der im Wettstreit immer neu bestätigten und
gesteigerten Sieghaftigkeit des Leibes. Anders auch wirkt dies Gleich-
nis als etwa in Goethes Jugendsprache. Da ist es Sinnbild gefahr-
bestehender Lebensfülle, siegdurchglühter Jugend, es ist ihm aber auch
Zeugnis der bändigenden Kraft, des i-ixpatsiv Sövaaftat. Für Kleist
bedeutet der'Wettlauf Ungebändigtes, Jagen nach höchstem Ruhm,
lebeneinsetzendes Hochbegehr, Unaufhaltsamkeit, Todesnähe und strah-
lender Sieg in eins — es ist vom Ikarusflug und -stürz darin —, herr-
liche Hybris leiblicher wie seelischer Kräfte.
Mit all diesen Elementen aber erleuchtet er ihm auch die Liebe
neu, wie einzig sie Sinnbild der innersten Kleistischen Seelengewalt
werden konnte, die Liebe, wo sie dem Agon verwandt ist, ein Erringen-
und Bezwingenwollen, bei dem der Siegerwille sich bis in den Ver-
nichtungswillen steigern muß, eben darum weil man ja selbst das
ganze Leben zum Einsatz macht. Wenn der ganze Szenenablauf bis
zur Liebesbegegnung zwischen Achill und Penthesilea nichts ist als
ein Vorbeisturz von Verfolgungsbildern, Nachjagen, Entrinnen, Taumeln,
Stürzen, Wiederaufraffen, so ist hier Ursprung spürbar aus Reinstem:
Gebundensein kostbaren Geblüts an den geliebten Gegner und nur
an diesen, den überwindend, von dem überwunden die Seele allein
ihr Maß besitzt. Hier siegend steigt sie zu den Göttern, hier ver-
fehlend muß die auf schmälster Bahn Vorwärtsrasende abstürzen in
ein Grundloses, verwildern in ein Chaos. Keinem Maße der Wirklich-
keit biegt sich dieses lodernde Wesen — von reiner Flamme lodernd —,
das sein Alles auf einen Wurf setzt, und so tödlich unbeugsam ist ihr
Seelenadel, daß ihm der Wahnsinn nächster Nachbar wird. Sicherlich,
die atmosphärische Spannung des Werkes ist mänadische Wildheit
vom Kampf- und Liebesbegehren; wohl fiebert die Sprache oft im