STUDIEN ZU HEINRICH VON KLEIST. 287
»Ich greife rechts, ich greife links umher,
Der Teuren einen ängstlich zu erhaschen;
Umsonst! Des Schlosses Tor geht plötzlich auf;
Ein Blitz, der aus dem Innern zuckt, verschlingt sie,
Das Tor fügt rasselnd wieder sich zusammen!«
Und wenn nun in der Schlußszene des Dramas dies ganze, im Traum
in der Unbewußtheit nicht zu erringende Bild dem Sieger in der inneren
Schlacht sich gewährend entgegenbewegt, wie es sich am Anfang
lockend von ihm entfernte, so geschieht hier, was sonst nie bei Kleist
— es sei denn im Märchenspiel —: das dunkle Tor sendet seinen
leuchtenden Blitz den Menschen entgegen, das Leben neigt sich ihm,
bezwungen, nicht von seinem rauschhaften Ansturm, sondern von
seiner selbst- und damit weltgestaltenden Kraft.
II. Gedanken zum Prinzen von Homburg.
Der Prinz von Homburg gilt als das Werk Kleistischer Gesun-
dung, Kraft und Heiterkeit. Die Versöhnung erst so schroffer Gegen-
sätze, das Emporwachsen eines träum- und rauschhaften Heldenjüng-
lings in Wissens- und Willenshelle des Mannestums, ihm gegenüber
die heitere und große Herrschergestalt in ihrer gelassen-spielenden
Menschlichkeit — das alles bezeugt volle Überwindung des Seelen-
dämmers und der blitzhaften Grelle anderer Werke.
Aber dieses Werk ist nicht nur Frucht und Zeugnis des Über-
wundenhabens, sondern das Überwinden selbst ist in ihm dramatischer
Lebensvorgang. Sturz und Wiederaufstieg des Helden führen von
berauschter Lebensglut durch seelische Vernichtung zu gefaßter Lebens-
sicherheit. Und daher vor allem stammt der befreiende menschliche
Eindruck! Mit echt Kleistischem Übermaß an Leben vollzieht sich die
Bewegung zum vital höchsten Punkt innerhalb des ersten Seelen-
zustandes, bezeugt in dem Ausruf:
»O Cäsar Divus!
Die Leiter setz' ich an, an deinen Stern!«
hinab in den Abgrund des Selbstverlustes, die Todesfurchtszene und
wieder hinauf bis in die neue »Seelenfassung«, bis dort die gleiche
Höhe des Lebens erreicht ist wie innerhalb der Ichtrunkenheit:
»Ich will das heilige Gesetz des Kriegs,
Das ich verletzt' im Angesicht des Heers,
Durch einen freien Tod verherrlichen!«
Aus der Schicht des unbewußten, ungemessenen, ja des verzückten
Gefühls treibt die Dichtung den Stamm hinauf in die Helle bewußten
Wollenkönnens, wo nicht allein Maßstäbe des Ich gelten. —
»Ich greife rechts, ich greife links umher,
Der Teuren einen ängstlich zu erhaschen;
Umsonst! Des Schlosses Tor geht plötzlich auf;
Ein Blitz, der aus dem Innern zuckt, verschlingt sie,
Das Tor fügt rasselnd wieder sich zusammen!«
Und wenn nun in der Schlußszene des Dramas dies ganze, im Traum
in der Unbewußtheit nicht zu erringende Bild dem Sieger in der inneren
Schlacht sich gewährend entgegenbewegt, wie es sich am Anfang
lockend von ihm entfernte, so geschieht hier, was sonst nie bei Kleist
— es sei denn im Märchenspiel —: das dunkle Tor sendet seinen
leuchtenden Blitz den Menschen entgegen, das Leben neigt sich ihm,
bezwungen, nicht von seinem rauschhaften Ansturm, sondern von
seiner selbst- und damit weltgestaltenden Kraft.
II. Gedanken zum Prinzen von Homburg.
Der Prinz von Homburg gilt als das Werk Kleistischer Gesun-
dung, Kraft und Heiterkeit. Die Versöhnung erst so schroffer Gegen-
sätze, das Emporwachsen eines träum- und rauschhaften Heldenjüng-
lings in Wissens- und Willenshelle des Mannestums, ihm gegenüber
die heitere und große Herrschergestalt in ihrer gelassen-spielenden
Menschlichkeit — das alles bezeugt volle Überwindung des Seelen-
dämmers und der blitzhaften Grelle anderer Werke.
Aber dieses Werk ist nicht nur Frucht und Zeugnis des Über-
wundenhabens, sondern das Überwinden selbst ist in ihm dramatischer
Lebensvorgang. Sturz und Wiederaufstieg des Helden führen von
berauschter Lebensglut durch seelische Vernichtung zu gefaßter Lebens-
sicherheit. Und daher vor allem stammt der befreiende menschliche
Eindruck! Mit echt Kleistischem Übermaß an Leben vollzieht sich die
Bewegung zum vital höchsten Punkt innerhalb des ersten Seelen-
zustandes, bezeugt in dem Ausruf:
»O Cäsar Divus!
Die Leiter setz' ich an, an deinen Stern!«
hinab in den Abgrund des Selbstverlustes, die Todesfurchtszene und
wieder hinauf bis in die neue »Seelenfassung«, bis dort die gleiche
Höhe des Lebens erreicht ist wie innerhalb der Ichtrunkenheit:
»Ich will das heilige Gesetz des Kriegs,
Das ich verletzt' im Angesicht des Heers,
Durch einen freien Tod verherrlichen!«
Aus der Schicht des unbewußten, ungemessenen, ja des verzückten
Gefühls treibt die Dichtung den Stamm hinauf in die Helle bewußten
Wollenkönnens, wo nicht allein Maßstäbe des Ich gelten. —