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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 18.1925

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Sommer, Kurt: Über Gruppierung der Gestalten im Drama
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https://doi.org/10.11588/diglit.3820#0318

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ÜBER GRUPPIERUNG DER GESTALTEN IM DRAMA. 315

Hebbels »Agnes Bernauer« nicht als Vertreter des Gegenspielers (Ernst)
beim Spieler (Albrecht) bezeichnet (bes. mit Rücksicht auf II, 2).

Wir sehen, wie Werners induktiv gewonnene Begriffe unter den Hän-
den zerrinnen, sobald man ernstlich daran geht, sie auf verschiedene, zer-
streut liegende Fälle anzuwenden. Aber auch da, wo Werner den zu-
sammenhängenden Gestaltenkomplex eines einzigen Dramas betrachtet,
sieht es nicht viel anders aus. An dem Personenschema der Hebbel-
schen »Agnes Bernaues, das Werner entsprechend seinem (oben S.313
mitgeteilten) Einteilungssystem entwirft (a. a. O. S. 26), tritt klar zu-
tage, wie unfruchtbar Werners Methode selbst dann ist, wenn seine
Ergebnisse der Hauptsache nach nicht angefochten werden können.
Werner verbaut sich durch' seinen Schematismus selber den Weg.
Agnes als »Streitobjekte kommt ins Mittelspiel, ebenso noch die zu
ihrer unmittelbaren Charakterisierung dienenden Bürgermädchen Bar-
bara und Martha; aber alles übrige muß unter S und G untergebracht
werden. Seine Gestaltengruppe der »Agnes Bernauer« sieht nun so
aus'):

Agnes
Ernst Barbara Albrecht

Martha
Preising Nothhafft Törring

Pappenheim Caspar Frauenhoven

Stachus Theobald

Herold Knippeldollinger

Kastellan
(vgl. S. 320). Nusperger

Was kann uns diese Gruppe sagen? Nichts als Dinge, die sich
schon bei oberflächlicher Betrachtung des Dramas von selbst ergeben,
äußerliche Zusammenhänge, die sich einem Schulkinde aufdrängen
würden.

Ganz abgesehen davon, daß Werners begriffliche Fassungen auch
hier in den meisten Fällen versagen, sobald man sie auf die einzelnen
Nebenpersonen anwendet, zwängt Werner hier dramatische Gestalten,
die nur in wenigem Äußerlichen übereinstimmen, in ihrer Bedeutung
für die Komposition aber gänzlich auseinandergehen, in eine Rubrik.
Törring und Frauenhoven z. B. gelten als Parallelfiguren Albrechts,
weil sie sein Wünschen und Streben unterstützen; Theobald und Knip-
peldollinger werden unter dieselbe Rubrik gebracht, weil sie ebenso
wie Albrecht die Agnes lieben — aber das ist doch kein »paralleles«

') Um den Vergleich mit der Gruppe auf S. 320 zu erleichtern, setze ich ab-
weichend von Werner S nach rechts, G nach links (vgl. S. 313, Anm.).
 
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