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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 18.1925

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Friedemann, Käte: Die romantische Kunstanschauung
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https://doi.org/10.11588/diglit.3820#0491

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488 KÄTE FRIEDEMANN.

2. Die Kunst als Mittel zur Erkenntnis.

Der Künstler sieht mehr als der Durchschnittsmensch, das ist
die tiefste Überzeugung der Romantik. In dichterischem Gewände
drücken das die Märchen E. T. A. Hoffmanns aus. Schelling betont,
daß Schönheit und Wahrheit an und für sich oder der Idee nach eins
seien !). Für Friedrich Schlegel bildet die Kunstschönheit nur die andere
bildliche Seite derselben einen, ewigen Wahrheit2). August Wilhelm
bedeutet die Kunst für die Anschauung dasselbe, was die Spekulation
für den Intellekt ist:J). Novalis spricht es aus, daß Denken und Dichten
einerleiJ), daß der Dichter nur der höchste Grad des Denkers sei5).

Aber die romantische Auffassung geht noch weiter. Nicht bloß
der Wissenschaft verwandt ist für sie die Kunst, nein, sie übertrifft
sie sogar auf ihrem eigensten Gebiet.

Hier bedeutet die romantische Auffassung vielleicht den stärksten
Gegensatz gegen den Rationalismus des 18. Jahrhunderts und später-
hin Hegels, die in der Kunst nur ein Durchgangsstadium erblickten,
dazu bestimmt, einer höheren Erkenntnisstufe zu weichen. Was damals
Baumgartens Ästhetik und nach seinem Vorbilde noch Schiller in
seinen >Künstlern« verkündet, dies »An höhern Glanz sich zu ge-
wöhnen, übt sich am Reize der Verstand«, das erfährt in der Romantik
seine Umkehrung. Die Kunst ist nicht Mittel für eine abstrakte Wissen-
schaft, für die der Mensch heute noch nicht reif wäre, sondern die
Kunst vermag ihrem tiefsten Wesen nach zu leisten, was keine Wissen-
schaft jemals zu geben imstande wäre. »Die Formen der Kunst«, sagt
Schelling, müssen die Formen der Dinge sein, wie sie im Absoluten
oder an sich sind«"). Oder nach Solger: »Die Kunst... ist das Dasein
und die Gegenwart und die Wirklichkeit des ewigen Wesens aller
Dinge«7). Durch »unsere gemeinen Erkenntniskräfte« werden wir nach
ihm niemals dahin gelangen, »die wahrhafte Übereinstimmung und
Einheit des Allgemeinen und Einzelnen zu begreifen«. Nur die Kunst
gewährt uns diese Möglichkeit8).

In bezug auf die Natur ist es nach Novalis der Dichter, dessen
Blick im Gegensatz zu dem des Gelehrten nicht an dem »bewußt-
losen, nichts bedeutenden Mechanismus« haften bleibt9), sondern der
ihr Gemüt und ihre Seele erfaßt10).

') Schelling, Philosophie der Kunst. Werke, Leipzig 1907, III, S. 32.
2) F. Schlegel, Philosophie des Lebens. 1827. Werke, Wien 1846, XII, S. 290.
:;) A. W. Schlegel, Vorlesungen über Literat, u. Kunst. Stuttgart 1884, I, S. 56.
4) Novalis, herausg. v. Minor. Jena 1907, III, S. 14. ■') Ebd. S. 108.
,]) Schelling, Philosophie der Kunst. Werke, Leipzig 1907, III, S. 36.
' 7) Solger, Erwin. Berlin 1907, S. 220. s) Ebd. S. 361.
") Novalis, a. a. O. IV, S. 31. 10) Ebd. IV, S. 11, 30, 32.


 
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