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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 18.1925

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Friedemann, Käte: Die romantische Kunstanschauung
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https://doi.org/10.11588/diglit.3820#0497

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4Q4 KÄTE FRIEDEMANN.

zuschwingen und auf sie herabsehend, sie zu richten sich vermesse:
ein törichtes Unternehmen des eitlen Stolzes der Menschen. Die Kunst
ist über dem Menschen: wir können die herrlichen Werke ihrer Ge-
weihten nur bewundern und verehren, und zur Auflösung und Reini-
gung aller unserer Gefühle, unser ganzes Gemüt vor ihnen auftun«1).
Es erscheint ihm als gottlos, an den großen Künstlern »das Gute von
dem sogenannten Schlechten zu sondern, und sie am Ende alle in
eine Reihe zu stellen, um sie mit einem kalten, kritisierenden Blicke
zu betrachten«2). Denn: »Es ist doch eine köstliche Gabe, die der
Himmel uns verliehen hat, zu lieben und zu verehren; dieses Gefühl
schmelzt unser ganzes Wesen um und bringt das wahre Gold daraus
zutage«3).

Lieben und verehren — das ist für Wackenroder die einzig mög-
liche Art, sich die Kunst zu eigen zu machen. Wenn die Kunst uns
auch die Erkenntnis der Welt und des Absoluten vermittelt, so dürfen
wir uns ihr selbst doch niemals als Erkennende, als mit dem Verstände
Erkennende nähern. Denn damit stellen wir uns bereits über sie, anstatt
uns von ihr begnaden zu lassen.

Der Künstler ist für den Romantiker nicht weniger als ein Priester
und Mittler des Ewigen. Als solchen bezeichnet ihn Zacharias Werner4).
Und Novalis betont, daß Dichter und Priester im Anfang Eins gewesen,
und daß nur spätere Zeiten sie getrennt hätten. »Der echte Dichter«,
sagt er, »ist immer Priester, sowie der echte Priester immer Dichter
geblieben«5).

Der Priester ist aber stets nur Organ des Göttlichen. Nicht seiner
Person gebührt die überragende Stellung, die er dem Laien gegenüber
einnimmt, sondern der Funktion, die er ausübt, der Gottheit, die sich
ihn zum Werkzeug wählte und ihn würdigte, der Kanal zu sein, durch
den sich das Göttliche der Welt mitteilt.

Auch ist er nicht souverän, sondern umso vollendeter, je mehr
er sich den höchsten Gesetzen, die dem Wesen der Kunst zugrunde
liegen, unterwirft. Und endlich gehört in den Augen des Romantikers
nicht einmal eine ganz besondere natürliche Genialität dazu, um Priester
im Tempel der Kunst zu sein, sondern mehr ein reines und großes
Wollen. Künstler sind für Friedrich Schlegel diejenigen, die sich der
Ausbildung in sich und der Mitteilung gegen andere desjenigen aus-

') Wackenroder, Herzensergießungen eines kunstliebenden Klosterbruders. Leip-
zig 1904, S. 104.

2) Ebd. S. 2. ■') Ebd. S. 105.

*) Zach. Werner an Rigiomontanus. Düntzer, Zwei Bekehrte. Leipzig 1873,
S. 43 f.

5) Novalis. Schriften, herausg. v. Minor. Jena 1907, II, S. 126.
 
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