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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 18.1925

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Friedemann, Käte: Die romantische Kunstanschauung
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https://doi.org/10.11588/diglit.3820#0525

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522 KÄTE FRIEDEMANN.

Oesamtkunst veranlaßte, die alle einzelnen künstlerischen Elemente
entweder miteinander zu vereinigen berufen sei, oder in der das eine
jederzeit das andere zu vertreten fähig wäre, so müssen wir zunächst
feststellen, daß es sich hier nicht — wie schon der oben erwähnte
Ausspruch A. W. Schlegels beweist — um eine Dienstbarkeit der einen
Kunst gegenüber einer andern handelt. Der Romantiker denkt sich
das Kunstwerk der Zukunft nicht im Sinne Richard Wagners, der die
Musik in den Dienst der Poesie stellte. Sondern jede Kunst besitzt
für ihn Eigenwert. Da aber jederzeit eine für die andere eintreten
kann, so verstärken sie sich bei einem Zusammenklingen gegenseitig
in ihren Wirkungen. — Daß die Identität der Sinnesempfindungen
dem romantischen Bewußtsein nahe lag, betonten wir bereits. Aber
die Romantik bleibt niemals bei einer bloß physiologischen Tatsache
stehen. Jede Physik wird ihr gleichzeitig zur Metaphysik.

Der tiefste Grund dafür, daß sich die Grenzen der Künste vor
dem romantischen Blick verwischen, war sicherlich der gleiche, den
A. W. Schlegel für den Sinn der Metapher angibt, wenn er sagte:
«Alle Dinge stehen in Beziehung aufeinander, alles bedeutet daher
alles, jeder Teil des Universums spiegelt das Ganze.« Von dieser
Auffassung aus war es möglich, zu völlig entgegengesetzten ästhe-
tischen Standpunkten zu gelangen. Man konnte einer einzigen, in
sich beschlossenen Gattung auf den Grund gehen, und in ihr, gerade
je reiner sie ausgebildet war, eine Form erblicken, in der das Abso-
lute sich als Ganzes spiegelt, wie es eben das gleiche Ganze auch
in anderen Formen ist. Man konnte aber auch die Ganzheit in der
Vereinigung der Teile suchen, die sich gegenseitig tragen und zu
einem harmonischen Gesamtkörper vereinigen. Der zweite Weg war
derjenige der Romantik.

V. Klassische und romantische Kunst.

Wenn wir zum Schluß noch die Frage nach dem Wesen der klas-
sischen und romantischen Kunst aufwerfen, oder vielmehr nach dem,
was die Romantiker selbst als deren Wesen bezeichnen, so kann hier
kaum noch viel Neues gesagt werden. Ist ja doch im Grunde all das,
was sie von der Kunst aussagten, von ihrem symbolischen Gehalt
und ihrer religiösen Mission, auf die romantische Kunst bezogen, denn
das war eben ihre Kunst.

Trotzdem nun der Romantiker naturgemäß dazu neigt, da, wo er
von der Kunst spricht, im wesentlichen die romantische Kunst im
Auge zu haben, verschließt er sich doch nicht der Tatsache, daß die
 
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