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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 1.1906

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https://doi.org/10.11588/diglit.3529#0288

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284 BESPRECHUNGEN.

sich tragen solle, damit nicht die tiefe Bedeutsamkeit zur leeren Kulissenplänkelei

entarte, will ihm keineswegs in den Sinn, >------Dichtkunst ist im Drama nicht

Zweck, sondern nur Mittel und zwar ein nur untergeordnetes«. »------Dichtkunst

ist daher nicht einmal ein notwendiger Bestandteil der Dramatik«. Die in ihrer
pragmatischen Unmöglichkeit bis zum Frevel spitzigen Paradoxe statuieren für die
von der Dichtung gereinigte Dramatik nun die neue, nach ihrem Begriff schon fixierte
Dramaturgie, auch genannt die ;>von der Poesie unabhängige theatralische Kunst«.
Poesie diene ihr höchstens als Hilfskunst, wie ihre anderen Hilfsmittel, Architektur,
Malerei, Musik u. s. w. auch. Ihr ist die Dichtkunst Untertan, aber nicht übergeordnet.

Dingers »Dramaturgie wird dem System der Wissenschaft im ersten Bande ein-
gegliedert und hiernach in ihren Theorien umschrieben. -Dramaturgie« ist praktische
und theoretische Wissenschaft zugleich, auf der einen Seite Lebensziele und Willens-
richtungen beeinflussend, auf der anderen reine Erkenntnis fördernd. Als ein Zweig
der Ästhetik, der schon deswegen sein Eigenrecht beanspruchen dürfte, weil die
weitgehende Arbeitsteilung der Disziplin so viele Gebiete bereits isoliert hat, wird
die Dramaturgie von den Forschungsprinzipien jeder Kunstwissenschaft überhaupt
reguliert. Und hierbei werde das normative Beschauen wohl stets die günstigste
Methode bilden, obwohl das einer Normwertung ganz entsagende Explizieren nicht
unbedingt auszuschalten sei.

Ein neuer Lehrgegenstand im Betrieb der Hochschule soll die Dramaturgie sein.
Die zwei Bände mit ihren mehr als 600 Seiten aber bilden nur die methodologischen
Prolegomena zu einem Lehrbuch der neuen Wissenschaft. Denn »das Gebiet ist
noch immer unsouveränes Land, ein zwischen zwei Territorien gelegenes Gefilde
(wenn wir das Bild nicht stören wollten, würden wir sagen: zwischen zwei Stühle
gesetzt), zwischen Philosophie und Literaturgeschichte, in das der Philosoph von
links, der Literaturhistoriker von rechts, der Ethiker von oben und der Metaphysiker
der Quere hineingaloppieren, um, nachdem ein jeder gefunden hat, was er braucht,
wieder in den Wigwam ihres heimatlichen Sondergebietes zurückzukehren-.

Die unkultivierte Sprache des Werkes sei an diesem ergötzlichen Beispiel gleich-
zeitig verdeutlicht. Es ist im Propagandaton geschrieben, aber weitschweifig und
ohne Zucht. Die Kernfrage hätte sich in einem nicht zu umfangreichen Essay be-
quem erledigen lassen. Der Ästhetiker, der Dichter, der praktische Theatermann
werden die zwei Bände mit gleichem Unbehagen ablehnen.

Berlin. ___________ Max Hochdorf.

Richard Hamann, Rembrandts Radierungen. Mit 137 Abbildungen u. 2 Licht-
drucktafeln. Verlag von Bruno Cassirer. Berlin 1906.

Dieses neue Buch über Rembrandts Radierungen gehört zu den Büchern, in
denen die Kunst nach Maßgabe ihrer Kunstmittel erforscht wird. Man darf wohl
Heinrich Wölfflin als den Hauptvertreter einer solchen Richtung der Kunstgeschichte
betrachten. In seinen Büchern über die italienische Renaissancekunst und dem neu-
lich erschienenen Dürer hat er die Muster dieser praktischen Kunstästhetik aufge-
stellt. Was er selbst hierbei Adolf Hildebrands Problem der Form« verdankt, hat
er im Vorwort seiner Klassischen Kunst hervorgehoben. Hamanns Rembrandt ist
auf derselben Methode aufgebaut. Daß ein tieferes Verständnis der Kunst durch
• ein Eindringen in die Wirkungsursachen und eine nachschaffende Analyse sämt-
licher in einem Kunstwerk tätigen Kunstmittel erreicht wird, liegt auf der Hand,
nur besteht die Gefahr einer zu bewußten Konstruktion, die schließlich jede freie
Regung der künstlerischen Phantasie unter den Zwang des Gesetzes stellt, wodurch
dann doch wieder eine falsche Vorstellung von dem ästhetischen Gehalt des ein-
 
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