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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 8.1913

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Laurila, Kaarle S.: Zur Lehre von den ästhetischen Modifikationen
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https://doi.org/10.11588/diglit.3587#0020
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16 KAARLE S. LAURILA.

ist eine Grundwahrheit der Ästhetik. Denn wäre dem nicht so, dann
müßte man folgern, daß das Verhalten des Künstlers zu seinem Stoff
kein ästhetisches Verhalten und das Kunstwerk kein Produkt ästhe-
tischer Tätigkeit wäre. Nun ist aber allgemein bekannt, daß das Häß-
liche im weitesten Maße einen Gegenstand der Kunsttätigkeit bildet.
Man kann mit Dessoir sagen, daß »die Tatsachen mit größter Ein-
dringlichkeit zeigen«, daß »das Häßliche künstlerisch verwendbar ist«
(Ästh. u. allg. Kunstw. S. 213). Und ist es einmal dies, dann muß
es notwendig auch — um Mißverständnissen vorzubeugen sage ich
nicht, wie Dessoir, »ästhetisch genießbar«, sondern — ästhetisch wir-
kungsfähig sein.

Es ist nun besonders bemerkenswert, daß Volkelt das Häßliche
nicht als einen besonderen Typus des ästhetisch Wirksamen anerkennt,
sondern es geradezu mit dem Nichtästhetischen oder dem Widerästhe-
tischen gleichstellt. »Mit dem Häßlichen tritt freilich«, sagt er, »kein
neuer ästhetischer Typus hinzu. Das Häßliche ist nichts weiter als
die Zusammenfassung des ästhetisch Mißwertigen, des Widerästhe-
tischen« (Syst. II, S. 562). Wenn ältere Ästhetiker und auch diejenigen
neueren, die überhaupt alles Ästhetische mit dem Sammelnamen des
Schönen bezeichnen, das Häßliche aus dem Umkreis des ästhetisch
Wirksamen ausschließen und es dem Nichtästhetischen gleichstellen,
so ist das kein Wunder, denn sie können einfach nicht anders. Für
Volkelt aber ist das Schöne nur ein Teil des ästhetischen Reichs. Er
ist also nicht durch die Konsequenzen seiner eigenen Gedanken dazu
gezwungen gewesen, das Häßliche aus dem Umkreis des Ästhetischen
auszuschließen. Desto sonderbarer ist es, daß er es trotzdem tut.

Wir erkannten bereits, weshalb das Häßliche mit dem Außerästhe-
tischen nicht zusammenfällt. Aber auch umgekehrt ist das Außer-
ästhetische keineswegs immer häßlich. Und doch müßte dem so sein,
wenn die Gleichstellung des Häßlichen mit dem Nichtästhetischen
haltbar sein sollte. Es ist wider jeden vernünftigen Sprachgebrauch,
alles, was seiner Natur nach zur ästhetischen Wirkung schlecht ge-
eignet ist, als »häßlich« zu bezeichnen, nämlich diejenigen Erschei-
nungen und Lebensgebiete, die geringen Gefühlsgehalt haben, die
ihrer Natur nach in erster Linie Verstandes- und Willensangelegen-
heiten sind und deshalb mit der Gefühlsseite unseres Wesens wenig
Berührung haben. Es wird wohl den meisten schwer fallen, sich z. B.
zu dem Bürgerlichen Gesetzbuch, zu einem Problem der Geometrie,
zu einer gelehrten mit Formeln erfüllten chemischen Abhandlung, zu
einer Genossenschaftsmolkerei oder zu den Kursberichten der Börse
ästhetisch zu verhalten. Ganz unmöglich ist das ästhetische Verhalten
auch hier nicht. Schließlich kann alles gelegentlich ästhetisch wirken.
 
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