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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 8.1913

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Laurila, Kaarle S.: Zur Lehre von den ästhetischen Modifikationen
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https://doi.org/10.11588/diglit.3587#0024
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20 KAARLE S. LAURILA.

als gerade die gewöhnlichsten und sozusagen volkstümlichsten ob-
jektiven Merkmale häßlicher Sinnenformen? Diese Eigenschaften sind
freilich nicht die einzigen objektiven Kennzeichen des Häßlichen, denn
ebenso wie es unmöglich ist, die objektiven Bedingungen des Schön-
heitseindruckes für alle Fälle gültig nachzuweisen, ebenso unmöglich
ist es dem Häßlichen gegenüber. Aber jedenfalls sind die von Vol-
kelt angegebenen vermeintlichen Merkmale des Charakteristischen die
gewöhnlichsten objektiven Ursachen, die uns einen Gegenstand häß-
lich erscheinen lassen. Es ist also eine eigenartige Nemesis, daß
Volkelt, der das Häßliche aus dem Umkreis des Ästhetischen ver-
bannen will, bei der Beschreibung des vermeintlich Charakteristischen
wider sein Wissen und Willen doch auf diesen Begriff zurückkommt.

Man könnte nun meinen, diese Feststellung sei im Grunde erfreu-
lich. Wenn nur die Sachen richtig aufgefaßt und beschrieben seien,
so komme eä nicht sonderlich auf die Namen an. Volkelt betont ja
selber wiederholt und zwar mit Recht, daß die Benennungsfragen
speziell in der ästhetischen Modifikationslehre von untergeordneter
Bedeutung sind. Aber so einfach liegt der Fall doch nicht.

Es handelt sich hier nicht mehr allein um die Namen. Auch die
Sachen, d. h. die zu beschreibenden ästhetischen Typen haben hier
anderen Sinn und andere Stellung erhalten, als ihnen rechtmäßig zu-
kommt. Erstens ist das Charakteristische in seiner wahren Bedeutung
verkürzt und zweitens verliert der Begriff des Häßlichen seine wahre
Gestalt. Da Volkelt doch ursprünglich den festen Vorsatz gehabt
hat, das Charakteristische zu beschreiben, obgleich er dann unwissent-
lich auf den Begriff des Häßlichen hinüberglitt, so ist daraus kein
einheitlicher und reiner Begriff entstanden, sondern ein Mischtypus,
der allerdings die größte Ähnlichkeit mit dem Häßlichen hat, aber
auch einige Bestandteile des Charakteristischen in sich einschließt. So
sind, scheint mir, zwei wichtige Begriffe miteinander vermengt worden,
so daß keiner von beiden zu seinem Recht und an seine richtige
Stelle gekommen ist.

Daß das Charakteristische in der von uns gefaßten Bedeutung
einen eigenartigen Typus des ästhetisch Wirksamen bezeichnet, scheint
mir sicher. Auch ergibt sich das Gegenteil dieses Typus ohne Schwierig-
keit. Es muß offenbar solche Gegenstände umfassen, bei denen nicht
das Unterscheidende, sondern im Gegenteil das Vereinigende, das
für verschiedene Individuen oder Gattungen Gemeinsame betont
ist, und die unterscheidenden Individual- oder Gattungsmerkmale, wenn
nicht ganz verwischt, so doch jedenfalls gemildert und ausgeglichen
sind. Wie man diesen Typus nennen will, ist Nebensache. Ich würde
ihn mit dem Namen des Stilisierten bezeichnen. Zunächst ist be-
 
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