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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 8.1913

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Everth, Erich: Wie man Bilder hängt
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https://doi.org/10.11588/diglit.3587#0048
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44 ERICH EVERTH.

— um sie alsbald wieder zu entfernen, denn nun war das Bild Herr
im Zimmer und nicht er. Auch ein Bild wie Feuerbachs Iphigenie,
wenn man etwa eine größere Reproduktion davon in Wohnräume
hängen will, wird immer eine Andachtsstätte errichten; und ein großes
Goethebildnis über dem Schreibtisch wird diesen sogleich zum Haupt-
platz des Zimmers stempeln, aber darüber hinaus nicht als ein Aus-
druck des Bewohners wirken, sondern wie ein Aufruf oder eine
Kraftquelle zur Arbeit. Irgendwie »herrschend« werden solche
Werke. Also: entweder wird ein derartiges Bild geschädigt, indem
es zur unwürdigen Unselbständigkeit herabgedrückt wird, oder das
Bild sprengt das Ensemble.

Das ist ja das allgemeinere Problem des Gesamtkunstwerkes, daß
ein glücklich gestimmtes Ganzes dem einzelnen Gliede zwar Werte
hinzubringen kann, daß es ihm solche aber auch zu nehmen vermag,
vor allem den Wert der Selbständigkeit. Samuel Lublinski schrieb
einmal über den Künstler allgemein: »Lieber läßt er sein Bild ohne
Rahmen in einem kahlen Gemach hängen, als daß er es zu einem
Dekorationsmöbel herunterwürdigt,« und er meinte, ein Rembrandt
oder Michelangelo solle nicht so herabgewürdigt werden. Vielleicht
haben in diesem Sinne nie Bildwerke eine angemessenere Aufstellung
gefunden als die griechischen Götterstatuen in den Tempeln, wo sie so
sehr Selbstzweck waren wie nur möglich; denn das ganze Tempel-
innere war nur Wohnung des Götterbildes und diente nicht einmal
einem kultischen Zwecke; das war der unbelästigten, unnahbaren
Würde des Bildes höchst zuträglich. In unserer Zeit könnte man
Klingers Beethoven sicherlich nicht dekorativ verwenden, ihm ist um-
gekehrt ein dekorativer Raum in Leipzig untergeordnet. So aber ver-
langen auch gewisse Bilder nicht nur den neutralen, ihnen zwecklich
untergeordneten Galerieraum, sondern bekanntlich manche sogar einen
eigenen Raum für sich.

Schon hier ist klar: Museen haben ihren eigenen, berech-
tigten Charakter und sind keineswegs nur, mit ihrer Vereinigung
vieler, aus einem ursprünglichen Zusammenhange wohl oder übel
(nicht immer übel) herausgenommener Bilder, unentbehrlich als
Fundgrube für wissenschaftliche Studien, sondern sie gewähren
auch einen eigentümlichen Typ ästhetischen Erlebens.
Es erscheint daher verkehrt, ihnen jeden ästhetischen Eigenwert mit
dem Wort »unorganisch« absprechen oder ihnen ihren eigenartigen
Charakter überall beschneiden zu wollen1).

J) Das Berliner Kaiser-Friedrich-Museum hat ähnlich, wenn auch nicht gleich
dem Magdeburgischen, Räume von zweierlei Art, reine Bildersäle und gemischte
 
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