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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 8.1913

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Marcus, Hugo: Rahmen, Formenschönheit und Bildinneres
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https://doi.org/10.11588/diglit.3587#0079
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RAHMEN, FORMEN SCHÖNHEIT UND BILDINNERES. 75

uns deshalb so aus: die Gleichglieder des Ornamentes rhythmisieren,
gliedern ihr Feld zu gleichartigen Zwischenräumen. Demnach ist jedes
Ornament auch eine Oliederungsordnung für seine Zwischenräume;
jede Gliederungsordnung aber ist zugleich ein Ornament. Denn jedes
Gliederungssystem stellt eine Vielheit irgendwie gleicher Glieder dar.
Ornament und Gliederung sind dasselbe, nur von verschiedenen Seiten
angesehen. Das Ornament ergibt sich von den Gleichgliedern als
solchen her, während die Gliederung die Rhythmisierung der Zwischen-
räume durch die Gleichglieder ins Auge faßt.

Es kommt aber noch eine dritte Übereinstimmung hinzu. Indem
die Gleichglieder des Ornamentes, indem die Akzente einer Gliederung
Zwischenräume zwischen sich aussondern, vollziehen sie nämlich die-
jenige Funktion, die wir dem Rahmen zuschreiben. Denn Ausschneiden,
Abteilen, Begrenzen, das ist ja das Wesen des Rahmens. Die Wieder-
kehrsglieder des Ornamentes, die Akzente eines Gliederungssystems
umrahmen also ihre Zwischenräume auch, indem sie sie aussondern;
und jedes Ornament, jede Gliederung ist dergestalt ein Rahmenzyklus.
Umgekehrt dagegen ist ein Rahmenzyklus, etwa der zwei-, drei-, vier-,
fünf-geteilte Rahmen auch jedesmal zugleich ein Ornament und ein
Gliederungssystem; denn in seiner Erscheinung wiederholen sich stets
irgendwelche Gleichglieder und bilden Akzente, die irgendwelche regel-
mäßige Zwischenräume aussondern.

Mit solchen Folgerungen aber ist nun zweierlei geschehen. Einmal
ist der Rahmenzyklus als ornamental erwiesen und, weil ornamental,
auch als der Schönheit des Ornamentes teilhaftig; und ferner zeigt sich
die Rahmung, die wir uns meist nur am Bildrand befindlich denken,
auf einmal mitten in das Bild selbst hineingezogen, wo sie insbesondere
mit der Gliederung identisch ist, die als Hauptteil aller Komposition über
die ornamentale Schönheit des Bildinneren zu wachen hat. Ornament
und Gliederung sind eben für unsere Betrachtung durchaus zu in das
Bildinnere gezogenen Rahmensystemen geworden. — Das Verhältnis
von Rahmen und Bild aber ist das notwendige Wechselverhältnis von
Peripherie und Zentrum. Indem der Rahmen ist, setzt er auch schon
ein Umrahmtes, ein Zentrum. Von den Gleichgliedern des Ornaments,
von den Akzenten der Gliederung im Bilde können wir darum auch
folgern, sie geben dem Bilde Zentren, in dessen Innerem sie Zwischen-
räume ausrahmen. Und nun läßt sich für die Beziehungen zwischen
Ornament, Gliederung und Rahmung diese Formel finden: Geht das
Ornament von den Gleichgliedern selbst, die Gliederung hingegen
von den Zwischenräumen aus, so kennzeichnet die Rahmung das
Wechselverhältnis zwischen Gleichgliedern und Zwischenräumen,
denen sie den Charakter von Zentren verleiht. l
 
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