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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 8.1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.3587#0105
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BESPRECHUNGEN. 1Q1

»Illustrationen sind letzten Endes alle geschichtlichen Bilder, alle Ehrenstatuen und
Porträts usw. als Rückhalt der Erinnerung, die nicht mit ästhetischen, sondern mit
ethischen Banden an das dargestellte Objekt geknüpft ist« — so brauchen wieder
die Werke deshalb doch nicht ausschließlich mit ethischen, sondern können auch
mit ästhetischen Banden daran geknüpft sein. (Seltsamer Radikalismus!) Und so
kann auch illustrative Kunst wirklich ihren Namen mit Recht führen, das heißt Kunst,
das heißt aber auch ästhetisch sein.

Innerhalb der illustrativen Kunst nun unterscheidet Hamann zwei Gruppen,
»Kultus« und »Demonstration«. Wenn er da aber das Monumentale und das Porträt
als Unterarten des Kultus bezeichnet, so ist das wieder radikal, und wenn das gar
zugleich heißen soll, daß diese Gebiete aus dem Ästhetischen hinausgerückt
werden sollen, so — hört die Gemütlichkeit auf. Daß ein künstlerisches Porträt
mit Ästhetik (soll heißen mit dem Ästhetischen) gar nichts zu tun zu haben brauche,
das gilt für manchen Betrachter, aber niemals für den Künstler, der es schuf.
Da sind so feine Mischungen von »interesselosem Wohlgefallen« (auf das Hamann
mit seiner eigenen Definition von ästhetisch eigentlich hinaus will), so feine
Mischungen davon mit allerlei anderen Interessen und so viele Grade des ästhetischen
Interesses möglich, daß man die gewaltsame Behandlung hier nicht billigen kann.
Und beim Monumentalen, wenn es auch »Erinnerungsstütze, Versinnlichung
des leiblich Entrückten« usw. ist, ist der Zweck und die »kultische« Beziehung doch
nicht so grob, daß das ästhetische Verhalten darunter litte. Ja, gerade in diesem
Versinnlichen eines Abgeschiedenen ist hier ein anderes Moment des Ästhetischen,
nämlich das Anschauliche, so ausgesprochen da, daß man erst das Anschauliche
vom Begriff des Ästhetischen abstreifen muß, wie Hamann auch nachher tut, um
beim Monumentalen das Ästhetische leugnen zu können. Und bei der Biographie:
da, wo sie »der Poesie an Eindringlichkeit und Schwung der Darstellung nichts
nachgibt«, liegt sie eben nicht mehr außerhalb des Ästhetischen. Auch ein Ge-
schichtswerk kann ein Kunstwerk sein und als solches d. h. eben ästhetisch auf-
genommen werden; es gibt auch hier verschiedene Grade des Ästhetischen.
Wenn man z. B. Schriften von Ranke oder Herman Grimm oder Treitschke nur
auf die Sprache hin und nur als Ausdruck der Persönlichkeit des Autors liest, so
ist der äußerste Pol rein ästhetischen Verhaltens erreicht. Wenn man aber auf
den Inhalt achtet und ihn auch durchaus mit theoretischem Verstandesinteresse auf-
nimmt, kann noch immer zugleich ein Element ästhetischer Empfänglichkeit dabei
sein und verträgt sich damit, mag man das Ästhetische auffassen wie man will, selbst
so, wie es der Verfasser nachher will. Auch diese Freude an Werken großer Historiker
ist nicht bloß künstlerisch, sondern auch ästhetisch; künstlerisch (das Wort hier
im rezeptiven Sinne genommen) wird nämlich die ästhetische Freude, sofern das Be-
wußtsein des Menschenwerks und das Vergnügen am Können zu dem ästhetischen
Verhalten hinzutritt. — Hamann übertreibt seinen Gedanken des Kultischen weiter,
wenn er behauptet: »Die Photographie vermag wohl ästhetisch wirksame Bilder
zu schaffen, aber die persönliche Auffassung des Kultbedürfnisses liegt ihr fern,
deshalb ist niemand mit ihr zufrieden.« Deshalb? Zunächst könnte ein Kult-
bedürfnis ja nur beim Porträt in der Photographie auftreten, und ferner mögen wir
Photographien manchmal deshalb nicht, weil das Schaffen in gewissem Grade fehlt;
sicherlich gibt es Photographien, die zufällig ästhetisch wirksam sind (ich meine
damit solche, die zufällig dem Bedürfnis unseres Auges entgegenkommen); soweit
sie das zufällig tun, sind sie keine Kunst, sondern dann handelt es sich sozusagen
um ein Naturschönes; die meisten ästhetisch wirksamen Photographien aber haben
ein künstlerisches Moment, ein relativ freies Schalten des Photographen zur Voraus-
 
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