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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 8.1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.3587#0136
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132 BESPRECHUNGEN.

Völker beherrschte. Eine Menge von Zitaten aus Tagebüchern, Briefen, Atelier-
gesprächen kehren immer wieder in Kalkmanns Ausführungen, mögen sie sich mit
der Kunst der Renaissance oder der Romantik oder der neuen Freilichtmalerei
beschäftigen. Was den Verfasser interessiert, ist stets das künstlerische Problem
als Ausdruck einer bestimmt gerichteten Persönlichkeit, und er sieht es immer mit
authentischer Richtigkeit, da er alle theoretischen Äußerungen des Künstlers mit
verwertet. Die Vielseitigkeit aber, die ihn über sein offizielles Arbeitsgebiet, die
klassische Antike, zu intimster Kenntnisnahme der gesamten Kunstentwicklung bis
zur jüngsten Moderne drängt, gewährt diesen ästhetischen Untersuchungen durch
den Reichtum der Vergleichsmöglichkeit eine außergewöhnliche Tiefe und Erfahrung
des künstlerischen Urteils.

Die einzelnen Aufsätze behandeln Themen aus der Antike und der Renaissance,
einen Kollegentwurf über das Gewand in der griechischen Kunst, eine Betrachtung
über Goethe und Schiller, Natur und Kunst, die den bekannten Gegensatz von
idealem Objektivismus und Subjektivismus bis zu den Meistern von Barbizon,
Ruskin und H. v. Marees durchführt, daran anschließend zwei Aufsätze über Goethe
und das Element und Goethe und Böcklin, die elementare Natur, Einheit, Ganzheit
und anderes, eine umfassende, die geistigen Richtungen und Quellen erörternde
Arbeit über die Romantik, drei größere systematische Aufsätze über die Erscheinung,
das Dekorative, das Organische und das Kunsthandwerk, die besonders an die
Theorien Adolf Hildebrands und Ruskins anknüpfen, endlich Auseinandersetzungen
über den Subjektivismus in seinem künstlerischen Verhältnis zur Natur, den Natura-
lismus, den Idealismus und den Impressionismus, und eine frühere auf denselben
Bahnen wandelnde Arbeit über die vielfältige und häufig entgegengesetzte Mög-
lichkeit der Individualität, sich in der Kunst auszudrücken, wobei sowohl die Maler
der Romantik und des deutschen und französischen Neuklassizismus, Puvis de
Chavannes, Feuerbach, Böcklin, Marees, wie die Impressionisten und die Künstler
Japans reichlich zu Worte gelangen. Es wird mit Entschiedenheit für die allem
Rationalismus fremde Autonomie der Kunst Stellung genommen und so gezeigt,
daß der Naturalismus zu seiner größten Vollendung sich ganz unnaturalistischer
Mittel bedienen wird. —

Im Rahmen dieses kurzen Referates läßt sich natürlich nicht annähernd eine
Vorstellung geben von dem Gedankenreichtum und der Fülle geistvoller Perspek-
tiven, die diese nachgelassenen Aufsätze August Kalkmanns enthalten. Vieles der
neueren ästhetischen Literatur, wie etwa Richard Hamanns bekanntes Buch über
den Impressionismus, erscheint ohne sie undenkbar: man vergleiche die Aus-
führungen über die Stileigenart der Romantik hier wie dort, wobei sich Kalkmann
als der weitaus tiefere, gründlichere, umfassendere Geist darstellen wird: denn
was er hier über die Romantik, ihr Wesen und ihre künstlerischen Äußerungen
sagt, steht auf der gleichen Stufe mit den Intuitionen einer Dichterin wie Ricarda
Huch über das gleiche Thema. — Und dann bemerke man die feinen, so überaus
charakteristischen Formbeobachtungen in den Abschnitten über Antike und Re-
naissance: die antike Körperdarstellung entwickelt ihre Funktionswerte, die Merk-
male von Bewegungen, parallel mit der Ausbildung ihrer Raumvorstellung, während
in der plastischen Körperdarstellung der Renaissance, vor allem bei Michelangelo,
ein bewußter Gegensatz zwischen Körperfunktion und dem Raum, in dem das
Kunstwerk lebt, vorherrscht. Der griechische Archaismus gibt einen gebundenen
Raum und entsprechend eine streng gebundene Bewegung, der Hellenismus einen
dreidimensional gelösten, in dem sich auch die reich bewegten Glieder in eben-
solcher Gelöstheit frei ausleben. Der Gegensatz nun von reichlichen Bewegungs-
 
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