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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 8.1913

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Wirtz, Heinrich: Die Aktivität im ästhetischen Verhalten, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.3587#0521
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514 HEINRICH WIRTZ.

ich einmal, um Steigerungen im Erleben der Versuchspersonen zu er-
reichen, dann auch um Ermüdungserscheinungen zurückzudrängen.
Die von mir vorgenommene Ordnung der Bilder wurde allen Ver-
suchspersonen dargeboten und zeigte sich im allgemeinen günstig,
wenn sich natürlich auch Schwankungen infolge der verschiedenen
Disposition und Veranlagung der Versuchspersonen ergaben. Auch
schaltete ich manchmal ein minder gutes Bild ein, um den Abfall der
ästhetischen Reaktion zu beobachten. Aus solchen konträren Erleb-
nissen heraus fanden die Versuchspersonen durch den Vergleich oft
besser den Ausdruck für die Erlebnisse an guten Bildern.

In ganz ähnlicher Weise verfuhr ich mit den vorgelegten Gedichten,
wie ich es schon in den ethisch-ästhetischen Versuchen getan hatte.
Auch in diesen Versuchen wurde eine Steigerung in der Wirkung der
Gedichte versucht; die wirksamsten Gedichte legte ich möglichst an
den Schluß der Versuchsstunde. Das auf diese Weise geordnete Material
wurde allen Versuchspersonen gleichmäßig dargeboten.

Gedichte aller Art dienten als Lektüre oder wurden von mir vor-
gelesen. Die Versuchspersonen konnten nach dem Versuche das Ge-
dicht noch einmal lesen, wenn sie es für nötig hielten. Während der
Aussage hatten sie oft noch den Text vor sich liegen, um für ihre
Aussagen einen Anhalt zu haben. Da den Versuchspersonen keinerlei
Aufgabe gestellt war, unter welchem Gesichtspunkte sie das Gedicht
aufzufassen hatten, so enthalten natürlich auch die Protokolle hiervon
nur die Angaben, welche von den Versuchspersonen für die wich-
tigsten und wesentlichsten gehalten wurden. Diese Versuche kommen
der gewöhnlichen Art des dichterischen Genusses am nächsten. Dabei
ist zu erwähnen, daß sich die Aufgabe, das Erlebte später zu Proto-
koll zu geben, bald aus dem Bewußtsein verlor und die Versuchs-
personen angaben, die Gedichte zu erleben, wie sie sie auch sonst
außerhalb der Versuche aufzunehmen pflegten.

Das Material bildnerischer Art leistete mehr, als ich erhofft hatte.
Es ist wohl nicht zu leugnen, daß der Sammlung »Meister der Farbe«
(bei Seemann, Leipzig) nur in sehr eingeschränktem Maße ein künst-
lerischer Wert zuzuerkennen ist. Ebenso sind die Kartons der Meß-
bildanstalt selbst keine Kunstwerke als vielmehr gute photographische
Reproduktionen von Kunstwerken. Es läge also der Einwand nahe,
dieses Material sei als zu meinen ästhetischen Versuchen völlig un-
tauglich zu bezeichnen. Zugleich erhöbe sich damit die Forderung,
zu ästhetischen Versuchen nur Kunstwerke zu verwenden, also soweit
die Reaktionen nicht von Bildern aus dem Museum gewonnen werden
könnten, nur echte Stiche oder Skulpturen als ästhetische Reize zu
verwenden. Ich habe auch manche Protokolle von Erlebnissen aus
 
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