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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 8.1913

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Buchenau, Artur: Zur methodischen Grundlegung der Cohenschen Ästhetik
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https://doi.org/10.11588/diglit.3587#0630
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BEMERKUNGEN. 523

bringen. Wie die Kunst eine Eigenart der Kultur darstellt, nicht eine Abart der
Erkenntnis, noch auch der sittlichen Kultur, so muß auch eine wahrhafte Eigenart
des ästhetischen Bewußtseins für sie gefordert werden, und nur in solcher Ent-
deckung kann die neue Art der reinen Erzeugung wirksam werden. Das Gefühl
ist der Wegweiser in das neue Land, aber weder Lust und Unlust, noch die
Totalität der Erkenntnisvermögen, noch die teleologische Beurteilung des freien
Spiels derselben sind sichere, vor jeder Irreführung geschützte Etappen auf dem
Entdeckungswege in das neue Land.

So weit erstrecken sich bei Cohen die methodischen Grundfragen. Es folgen
nun (im vierten Kapitel des ersten Bandes) ausführliche Darlegungen über den Auf-
bau des Bewußtseins, d. h. zur Psychologie des Gefühls, die so äußerst schwierig
sind, daß sie hier nicht in Kürze dargestellt werden können, und es wird sodann
(in Kapitel 5) der Begriff des Schönen und seine Momente erörtert (A. Das Moment
des Erhabenen, B. Der Humor). Die neue systematische Eigenart des ästhetischen
Bewußtseins wird hierbei ermittelt im ästhetischen Gefühle, welches, von den rela-
tiven Gefühlsstufen innerhalb der vorhergehenden Bewußtseinsarten unterschieden,
von Cohen als eine selbständige Bewußtseinsart nachgewiesen wird. Die Objek-
tivierung, welche gemäß der Methodik der Reinheit zu fordern ist, wird dabei in
der Korrelation gefunden, in welcher das reine Gefühl sich vollzieht. Sein
Bestand ist bedingt durch diese Korrelation von Subjekt und Objekt, vom Selbst
des Gefühls und dem Objekt des Kunstwerks. Das Kunstwerk ist das Erzeugnis
des reinen, erzeugenden Gefühls. Cohen zeigt nun, wie die Schönheit zum Ober-
begriffe zu werden hat für die ästhetischen Grundbegriffe, welchen zwischen dem
Selbst und dem Kunstwerk die Vermittlung obliegen soll. Die Schönheit ist Idee,
also nicht »absolutes Sein« (Schelling), sondern ewige Aufgabe, stets nur Grund-
'egung und nie Grundlage (s. oben S. 619). Das heißt, die Idee des Schönen, als
Grundlegung, bedeutet auch, daß der Grundlegung kein Ende gesetzt werden darf,
ebensowenig wie den Versuchen ihrer Lösung. Auch die Versuche der Begründung
müssen unendlich bleiben. Um es schroff auszudrücken: das Schöne ist nur ein
Wort, aber dieses Wort enthält eine Losung: das Schöne ist, es gehört zu den
drei Worten inhaltsschwer. So ist das Schöne selbst nur der allgemeine Problem-
begriff, aus dem Unterbegriffe ableitbar werden müssen. Diese sind demnach als
die Momente des Schönen zu suchen; denn ihnen muß die Vermittlung zu-
stehen, um die es sich hier zwischen dem Selbst und dem Kunstwerk handelt. In
dem Oberbegriffe des Schönen werden aber zugleich die Unterbegriffe geordnet
und zwar unter-und nebengeordnet, sodaß also auf die kantische Neben-Ordnung
des Schönen und Erhabenen von Cohen konsequent verzichtet wird. Es kann dem
Schönen, als Oberbegriff, als Grundlegung eben kein anderer Oberbegriff zur
Seite treten, koordiniert werden. Nichts also kann als Gegenstand oder Inhalt der
Kunst gedacht werden, was einen Gegensatz, geschweige einen Widerspruch zum
Schönen enthielte. Die Kunst ist die Kunst des Schönen. Dagegen ist auch das
Häßliche kein Gegenargument, das vielmehr, wie Cohen zeigt, wenn richtig-auf-
gefaßt, unter das Moment des Humors gehört. Die große Kunst des Humors späht
das Häßliche im Menschen geradezu auf, um es als liebenswert zur Erscheinung
zu bringen. Der Oberbegriff des Schönen stellt also den Begriff des Häßlichen
unter seine Kompetenz, wie ja tatsächlich das Häßliche im Kunstwerke nur als ein
akzidentelles Moment auftritt, keineswegs aber als ein selbständiger Gegenstand und
als ein selbständiger Vorwurf.
 
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