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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 8.1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.3587#0657
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650 BESPRECHUNGEN.

warum schätzt Botticelli die Landschaft so gering, und warum spielt sie bei Michel-
angelo keine Rolle? Deonna nimmt wahr, daß in beiden Epochen die Malerei
auf die Plastik einwirkt, — doch warum verkündet Mantegna und warum übt
Michelangelo das entgegengesetzte Verfahren? Weil der Gegensatz der beiden
Reihen offenkundig ist. Wir erwähnen nur noch einen Fall. »Das Aufleben des
Idealismus im 16. Jahrhundert« — schreibt er S. 510 — »vernichtet die Landschafts-
malerei, weil Michelangelos Einfluß ihr den Todesstoß gab, als er der anthro-
pozentrischen Konzeption zur Auferstehung verhalf. Die Liebe zur Natur erwacht
erst im 18. Jahrhundert wieder, aber gegen Ende des Jahrhunderts wird die Land-
schaft durch die abergläubische Verehrung der Antike wiederum verdrängt.« Und
was macht er einerseits mit Poussin, dem Meister der idealen Landschaft, und
anderseits mitRuysdael und Hobbema, den Schöpfern der realistischen Landschaft?
Sämtlich Söhne eines Zeitalters, sämtlich Landschaftsmaler, aber Meister verschie-
dener Entwicklungsreihen.

Deonna freut sich, eine neue -»verite generale« gefunden zu haben, die Lehre
vom ständig wiederholten Rhythmus. Nach unserer Meinung entspricht sie nicht
den Tatsachen und führt -als Endergebnis zur Verneinung der künstlerischen Ent- _
wicklung. Denn auf diese Art verändert sich das Gefühl, das von der Technik
ausgedrückt wird, kaum irgendwie, die Technik hingegen überhaupt nicht, weil sie
sich nur als Wiederholung derselben Verfahren offenbart (p. 534). Wenn man je-
doch in die Art der künstlerischen Entwicklung Einblick gewinnt, erfährt man, wie
unendlich mannigfaltige Reihen den beiden Hauptrichtungen der Entwicklung ihr
Dasein verdanken und daß die Entwicklung nur von dem entscheidenden Gefühle
und den daraus hervorgehenden Formenvarianten gezeitigt wird.

Alles in allem: das Buch Deonnas muß in stofflicher Beziehung und wegen
seiner Anregungskraft mit Dank begrüßt werden, enthält aber allgemeine Theorien
von nur zweifelhaftem Wert.

Budapest. ___________ Bela Läzär.

Wilh. Dreecken, Über die absolute Wertung ästhetischer Objekte.
Vortrag, gehalten im Akademisch-Literarischen Verein Berlin. — Verlag von
Schuster & Löffler, Berlin und Leipzig 1912. — 8°. 16 S.
Wie wenig Dreecken die eigentlichen Schwierigkeiten des Problems, das den
stolzen Titel seines Vortrags bildet, erfaßt hat, beweist bereits der erste Satz: »Eine
Definition der in unserm Thema gebrauchten vier Begriffe erübrigt sich, wenn wir
es in die Frageform kleiden; diese lautet: Kann man über Gegenstände der Kunst
allgemeingültige Urteile fällen?« Daß ein vieldeutiger und höchst verschwommener
Satz eine genaue und tief schürfende Wesensuntersuchung unnötig machen kann,
dieses wunderliche Kunststück werden nur wenige dem Verfasser glauben. Die
Tatsache »allgemeingültiger« Urteile beweist an sich gar nichts für oder gegen
absolute Wertsetzungen. Gesetzt den Fall, eine bestimmte Speise munde allen
vortrefflich, so gilt das Urteil »diese Speise schmeckt gut« ausnahmslos; doch liegt
hier lediglich eine psychische Regelmäßigkeit vor, der nur ein irriger Psychologismus
objektiven Wertcharakter zubilligen könnte. Einen anderen Sinn gewinnt aber die
Behauptung, wenn unter »Allgemeingültigkeit« der berechtigte und notwendige
Anspruch eines Urteils auf allgemeine Geltung verstanden wird. Hier finden sich
natürlich Ausnahmen, d. h. abweichende Urteile, aber diese sind dann verfehlt und
irrig. Doch ist es nicht unsere Aufgabe, an dieser Stelle die Untersuchungen zu
führen, die Dreecken anzustellen unterlassen hat; wir achten darum gleich auf die
Ergebnisse, und um diese nicht irgendwie umzubiegen oder zu verfälschen, will
 
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