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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 8.1913

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Everth, Erich: Wie man Bilder hängt
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https://doi.org/10.11588/diglit.3587#0052
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48 ERICH EVERTH.

der Kunst überhaupt zu zweifeln. Der Wert, nicht bloß der Selten-
heits- oder gar Einzigkeitswert der Werke wird angegriffen. Man
mag sich in solchen üblen Momenten noch so sehr sagen können:
Das alles, was hier in erdrückender Menge vorliegt, ist nicht für einen
nur, es ist für viele, auch der Konsum ist groß, nicht bloß die Pro-
duktion — dennoch bleibt der Betrachter zunächst der eine Mensch
mit begrenzter Fassungskraft, die nicht ausreicht, das alles in der
Eile so frisch und und kräftig aufzunehmen, wie es doch zum großen
Teil entstanden ist. Denn — das liegt ja für die ruhige Überlegung
zutage — auch der Produzenten sind viele und sie haben diese zahl-
reichen Werke einzeln geschaffen, in Konzentration, langsam.

Die Eile muß im Betrachter durch die Ordnung des Museums
bekämpft werden, in Eile verfällt man bei der übergroßen Menge
allzu leicht. Hiergegen schon ist ein sinnvoll waltender und spür-
barer Geist in Museum und Ausstellung ganz allgemein erwünscht
und paßt noch besonders zu dem Charakter dieser Veranstaltungen.
Denn: wenn man nicht irgendwie abgeschreckt, abgestumpft oder
unangemessen beschleunigt wird, so sieht man gerade im Museum
aufmerksamer als wohl sonst auf Bilder, geschweige in die Natur.
Wenn man Kunstwerken gegenüber schon immer weiß, sie seien ge-
macht von Menschenhand, nur um gesehen zu werden, und wenn
schon dies naturgemäß die Achtsamkeit erhöht, so geschieht das
noch mehr in Räumen, die uns an allen Punkten, außen wie innen,
zurufen: Das ist ein Gebäude für Kunstwerke und Kunsteindrücke.
Darauf sollte man schon von der Fassade gestimmt werden, so gut
wie bei Theatern und Konzerthallen. Also wenn man ins Museum
tritt, sieht man unbewußt von vornherein besser — es ist ja nichts
weiter drin als Kunst und man geht zum Schauen hinein. Deshalb
ist es nun vielleicht die höchste positive Funktion eines guten Museums
und eines rechten Hängeverständnisses, wenn der Besucher durch-
gängig zu frischer Aufmerksamkeit angeregt wird und möglichst lange
so angeregt bleibt. Denn ein Museum ist keine Bilderbewahranstalt,
sondern eine Bilderausstellung.

Beschränkung des jeweiligen Gesichtskreis es. Man
möchte nicht von jedem Saal aus in allzuviele andere hineinblicken
können, weil man dann das Bewußtsein einer Überfülle nicht los wird.
Hier wird die Funktion der relativ geschlossenen und der kleinen
Kabinette eindrücklich. Es handelt sich nicht bloß darum, daß be-
sonders wertvolle Werke, wie die Nachtwache oder die Sixtinische
Madonna, für sich ihr besonderes Zimmer bekommen, damit ihre
Wirkung durch keinerlei Bildwerk in der Nähe gestört und der Be-
 
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