76 HUGO MARCUS.
Für alles dies nun einige Beispiele. Wenn auf einem alten Figuren-
bild Säulen im Hintergrund oder Heiligengestalten im Vordergrund
sich abstandsweise über den Raum wiederholen, so haben sie, wie
man es gemeinhin bezeichnet, Gliederungsfunktion. Wir können hier
aber auch ebensogut sagen, die Säulen hinten, die Heiligen vorn
bilden jeweils ein Ornament, denn sie wiederholen alle dieselbe Oleich-
stellung; und wir können ferner sagen, die Säulen wie die Heiligen
schneiden im Bilde Einzelbilder aus, die sie als Zyklus von Rahmen
umgeben. Und ähnlich ist es, wenn eine gleichgültige Hügelgegend
plötzlich einen so deutlichen Reiz gewinnt, daß wir den Schritt an-
halten, weil an einer Stelle des Weges in Abständen zwei, drei, vier
Überhalterbäume den langen und langweiligen Höhenzug am Horizont
durch ihren Rahmenzyklus in lauter anmutige Einzelbilder zerlegen,
die doch ein Ganzes bleiben. Hier haben wir in erster Linie Rahmung,
aber zugleich doch auch eine Gliederung des Anblicks in immer
wiederkehrende Abstände; und diese Gliederung vollzieht sich mittels
mehrerer, einander gleicher Formen, also im Ornament. Ein blauer
Himmel, über den sich eine Anzahl weißer Wölkchen streut, ist ein
reizendes Ornament; zugleich aber findet sich die Masse der Wölk-
chen durch die blauen Himmelsadern doch auch gegliedert, und jedes
von ihnen wird umrahmt durch ein blaues Himmelsband.
Wir begannen damit, daß die Gleichglieder eines Ornamentes aus
ihrer Entwicklungsebene Zwischenräume ausschneiden, die einmal als
gemeinsame Zwischenräume und sodann als Prägungen desselben
Ursprungs gleichfalls mancherlei Übereinstimmungen unter einander
erhalten. Das fertige Ornament stellt sich uns demnach vor Augen
als ein System von Gleichgliedern zwischen ein anderes System von
Gleichgliedern zwischengereiht. Mit dieser Tatsache aber verknüpft
sich nun eine weitere Verflüssigung der Begriffe, um die es uns
zu tun ist. Besteht das fertige Ornament nämlich aus zwei Reihen
in sich gleicher Glieder, so ist doch füglich nicht mehr länger zu
unterscheiden, welche Reihe die andere geprägt hat, sondern jede Reihe
kann als Reihe der prägenden Akzente und jede als Reihe der bloßen
Zwischenräume gelten. Das Verhältnis der aktiv prägenden und der
passiv geprägten Glieder hat sich somit aufgelöst in ein Wechsel-
verhältnis des einander Prägens und Zwischenraum-seins. Stempeln
denn nicht tatsächlich, um gleich bei unserem letzten Beispiel wieder
anzuknüpfen, im Ornament des Wolkenhimmels die weißen Wolken
den blauen Himmelsgrund ganz ebenso zu einer Reihe sich gleichmäßig
wiederholender blauer Zwischenräume, wie andererseits die blauen
Himmelsdurchblicke die weißen Wolken in eine Reihe weißer Zwischen-
räume zerlegen? Und wie mit den Gleichgliedern des Ornaments
Für alles dies nun einige Beispiele. Wenn auf einem alten Figuren-
bild Säulen im Hintergrund oder Heiligengestalten im Vordergrund
sich abstandsweise über den Raum wiederholen, so haben sie, wie
man es gemeinhin bezeichnet, Gliederungsfunktion. Wir können hier
aber auch ebensogut sagen, die Säulen hinten, die Heiligen vorn
bilden jeweils ein Ornament, denn sie wiederholen alle dieselbe Oleich-
stellung; und wir können ferner sagen, die Säulen wie die Heiligen
schneiden im Bilde Einzelbilder aus, die sie als Zyklus von Rahmen
umgeben. Und ähnlich ist es, wenn eine gleichgültige Hügelgegend
plötzlich einen so deutlichen Reiz gewinnt, daß wir den Schritt an-
halten, weil an einer Stelle des Weges in Abständen zwei, drei, vier
Überhalterbäume den langen und langweiligen Höhenzug am Horizont
durch ihren Rahmenzyklus in lauter anmutige Einzelbilder zerlegen,
die doch ein Ganzes bleiben. Hier haben wir in erster Linie Rahmung,
aber zugleich doch auch eine Gliederung des Anblicks in immer
wiederkehrende Abstände; und diese Gliederung vollzieht sich mittels
mehrerer, einander gleicher Formen, also im Ornament. Ein blauer
Himmel, über den sich eine Anzahl weißer Wölkchen streut, ist ein
reizendes Ornament; zugleich aber findet sich die Masse der Wölk-
chen durch die blauen Himmelsadern doch auch gegliedert, und jedes
von ihnen wird umrahmt durch ein blaues Himmelsband.
Wir begannen damit, daß die Gleichglieder eines Ornamentes aus
ihrer Entwicklungsebene Zwischenräume ausschneiden, die einmal als
gemeinsame Zwischenräume und sodann als Prägungen desselben
Ursprungs gleichfalls mancherlei Übereinstimmungen unter einander
erhalten. Das fertige Ornament stellt sich uns demnach vor Augen
als ein System von Gleichgliedern zwischen ein anderes System von
Gleichgliedern zwischengereiht. Mit dieser Tatsache aber verknüpft
sich nun eine weitere Verflüssigung der Begriffe, um die es uns
zu tun ist. Besteht das fertige Ornament nämlich aus zwei Reihen
in sich gleicher Glieder, so ist doch füglich nicht mehr länger zu
unterscheiden, welche Reihe die andere geprägt hat, sondern jede Reihe
kann als Reihe der prägenden Akzente und jede als Reihe der bloßen
Zwischenräume gelten. Das Verhältnis der aktiv prägenden und der
passiv geprägten Glieder hat sich somit aufgelöst in ein Wechsel-
verhältnis des einander Prägens und Zwischenraum-seins. Stempeln
denn nicht tatsächlich, um gleich bei unserem letzten Beispiel wieder
anzuknüpfen, im Ornament des Wolkenhimmels die weißen Wolken
den blauen Himmelsgrund ganz ebenso zu einer Reihe sich gleichmäßig
wiederholender blauer Zwischenräume, wie andererseits die blauen
Himmelsdurchblicke die weißen Wolken in eine Reihe weißer Zwischen-
räume zerlegen? Und wie mit den Gleichgliedern des Ornaments