48 THEODOR A. MEYER.
ästhetik reicht nicht mehr aus, die lediglich den Gegenstand des
Kunstwerks in den Kreis ihrer Betrachtung zog und das Kunstwerk ab-
lehnen zu müssen glaubte, wo der Stoff nichtssagend oder ohne Schön-
heit zu sein schien. An Werken solcher Art scheitert auch die folge-
richtigste Vertretung der Inhaltsästhetik in der Gegenwart, die Ästhetik
von Lipps. Die Lösung für alle Rätsel sucht Lipps im Vorgang des
ästhetischen Einfühlens; ihm gibt er die weiteste Ausdehnung und weiß
Wunder von ihm zu berichten. Aber alle Kraft des »Einfühlens« in
den dargestellten Gegenstand reicht nicht aus, anerkannten Meister-
werken aus der französischen Artistenschule einen wertvollen erleb-
baren Inhalt zu geben, zumal diese Werke es mit unverkennbarer Deut-
lichkeit zu verstehen geben, daß ihr Gegenstand nichts bedeuten will.
Und bei vielen modernen Kunstwerken ist der Gegenstand so häß-
lich, daß alles Einfühlen von »Selbstwertgefühlen« in ihn gegen seine
Häßlichkeit nicht aufkommt. Da ist es eine schlimme Verlegenheits-
auskunft und ein böser Gewaltstreich, wenn man kurzab erklärt, Werke
dieser Art sind, weil ihr Gegenstand gehaltlos oder spröd gegen
»Selbstwertgefühle« ist, eine künstlerische Verirrung. Eine Ästhetik,
die die Phänomene des Kunstlebens verstehen und erklären will, kommt
nicht daran vorbei, daß Menschen von feinstem Geschmack die Wonne
und die Schauder der Schönheit empfinden an Gemälden, denen gegen-
über die Frage nach ihrem gegenständlichen Gehalt wie ein Hohn er-
scheint, und daß tiefgründige Naturen stofflich Häßlichstes mit aus-
gesprochenem ästhetischen Wohlgefallen betrachten.
Kein Wunder daher, daß immer wieder Versuche gemacht werden,
das ästhetische Erlebnis als vom Gegenstand unabhängig zu begreifen
und es in irgendeiner Weise allein in die Darstellung zu setzen.
Man hat den ästhetischen Eindruck entweder auf Formverhältnisse
oder auf eigentümliche Wirkungen, die von der Darstellung ausgehen,
wie etwa die Illusion, zurückgeführt. Zweifellos hat auch die Inhalts-
ästhetik damit gefehlt, daß sie nie so recht ein Formprinzip anerkennen
wollte, oder wo sie ein solches aufgestellt hat, es allzuschnell wieder
ins Inhaltliche umschlagen ließ. Es ist nicht zu bestreiten, daß die
Form als solche eine ganz wesentliche Seite am ästhetischen Erlebnis
ausmacht, und daß auch die mächtige Suggestionskraft, die vom Kunst-
werk ausgeht und Illusion wirkt, unter die stärksten Formreize gehört.
Das Kunstwerk und überhaupt das Schöne muß nun einmal vom An-
schauenden wahrgenommen und erfaßt werden, und es ist klar, daß
bei diesem Wahrnehmen und Erfassen sich unmittelbar geltend macht,
ob das zu Erfassende, sei es von der Natur oder vom Künstler, für
diese Aufgabe zweckmäßig dargeboten ist oder nicht. Formempfin-
dungen müssen sich daher immer am Ästhetischen regen; es liegt in
ästhetik reicht nicht mehr aus, die lediglich den Gegenstand des
Kunstwerks in den Kreis ihrer Betrachtung zog und das Kunstwerk ab-
lehnen zu müssen glaubte, wo der Stoff nichtssagend oder ohne Schön-
heit zu sein schien. An Werken solcher Art scheitert auch die folge-
richtigste Vertretung der Inhaltsästhetik in der Gegenwart, die Ästhetik
von Lipps. Die Lösung für alle Rätsel sucht Lipps im Vorgang des
ästhetischen Einfühlens; ihm gibt er die weiteste Ausdehnung und weiß
Wunder von ihm zu berichten. Aber alle Kraft des »Einfühlens« in
den dargestellten Gegenstand reicht nicht aus, anerkannten Meister-
werken aus der französischen Artistenschule einen wertvollen erleb-
baren Inhalt zu geben, zumal diese Werke es mit unverkennbarer Deut-
lichkeit zu verstehen geben, daß ihr Gegenstand nichts bedeuten will.
Und bei vielen modernen Kunstwerken ist der Gegenstand so häß-
lich, daß alles Einfühlen von »Selbstwertgefühlen« in ihn gegen seine
Häßlichkeit nicht aufkommt. Da ist es eine schlimme Verlegenheits-
auskunft und ein böser Gewaltstreich, wenn man kurzab erklärt, Werke
dieser Art sind, weil ihr Gegenstand gehaltlos oder spröd gegen
»Selbstwertgefühle« ist, eine künstlerische Verirrung. Eine Ästhetik,
die die Phänomene des Kunstlebens verstehen und erklären will, kommt
nicht daran vorbei, daß Menschen von feinstem Geschmack die Wonne
und die Schauder der Schönheit empfinden an Gemälden, denen gegen-
über die Frage nach ihrem gegenständlichen Gehalt wie ein Hohn er-
scheint, und daß tiefgründige Naturen stofflich Häßlichstes mit aus-
gesprochenem ästhetischen Wohlgefallen betrachten.
Kein Wunder daher, daß immer wieder Versuche gemacht werden,
das ästhetische Erlebnis als vom Gegenstand unabhängig zu begreifen
und es in irgendeiner Weise allein in die Darstellung zu setzen.
Man hat den ästhetischen Eindruck entweder auf Formverhältnisse
oder auf eigentümliche Wirkungen, die von der Darstellung ausgehen,
wie etwa die Illusion, zurückgeführt. Zweifellos hat auch die Inhalts-
ästhetik damit gefehlt, daß sie nie so recht ein Formprinzip anerkennen
wollte, oder wo sie ein solches aufgestellt hat, es allzuschnell wieder
ins Inhaltliche umschlagen ließ. Es ist nicht zu bestreiten, daß die
Form als solche eine ganz wesentliche Seite am ästhetischen Erlebnis
ausmacht, und daß auch die mächtige Suggestionskraft, die vom Kunst-
werk ausgeht und Illusion wirkt, unter die stärksten Formreize gehört.
Das Kunstwerk und überhaupt das Schöne muß nun einmal vom An-
schauenden wahrgenommen und erfaßt werden, und es ist klar, daß
bei diesem Wahrnehmen und Erfassen sich unmittelbar geltend macht,
ob das zu Erfassende, sei es von der Natur oder vom Künstler, für
diese Aufgabe zweckmäßig dargeboten ist oder nicht. Formempfin-
dungen müssen sich daher immer am Ästhetischen regen; es liegt in