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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 9.1914

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https://doi.org/10.11588/diglit.3043#0123

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BESPRECHUNGEN. 117

gebräuchliche Bedeutung des Wortes Möglichkeit ausmacht1). Er wendet, bei der
Mehrdeutigkeit des Wortes, seine Aufmerksamkeit zunächst dem Hauptsinne zu.

Die Auffassung, daß die Aussage einer Möglichkeit nichts anderes behaupte als
ein unzureichendes Wissen des Urteilenden hinsichtlich des Seins oder Nichtseins
dessen, was er als möglich bezeichnet, wird zurückgewiesen. In einer Möglichkeits-
aussage drücken wir allerdings einen Zustand der Ungewißheit aus, wollen aber
nicht ihn oder über ihn aussagen, sondern über den Gegenstand, dem wir das
Möglichsein zuschreiben. (Daran wird die richtige und wichtige grundsätzliche
Bemerkung geknüpft, daß für Fragen der Bedeutungs- oder Begriffsbestimmung nur
der gegenständliche »Gehalt« einer sprachlichen Wendung, nicht aber das ausge-
drückte psychische Erlebnis1) maßgebend ist.) Die Behauptung, daß wir hinsicht-
lich des Seins eines Gegenstandes nur Unzureichendes wissen, wäre für die Er-
kenntnis dieses Gegenstandes völlig wertlos, was man von einer Möglichkeitsaus-
sage nicht wird gelten lassen.

Die von Höfler3) vertretene Bestimmung der Möglichkeit als Negation von Un-
verträglichkeit (und Notwendigkeit) wird mit der Bemerkung, sie gebe nicht an,
was Möglichkeit ist, sondern nur was sie nicht ist, und dem Hinweise darauf, daß
es viele Relationen gebe, die weder Unverträglichkeit noch Notwendigkeit sind,
doch etwas zu leicht abgetan. Sollte es im Wesen der Möglichkeit liegen, die
Negation einer unabhängig von ihr bestimmten Relation zu sein, so wäre durch
diese Bestimmung doch sicherlich angegeben, was sie ist. Und wer etwa Nicht-
sein als die Negation des Seins definierte, meinte natürlich nicht, das Nichtsein sei
irgend einer der Gegenstände, die nicht das Sein sind, z. B. ein Haus ').

Daß etwas möglich ist, heißt auch nicht, daß einige Bedingungen seines Seins
erfüllt sind. Denn dieses Zweite trifft in vielen Fällen zu, in denen das Erste
nicht gilt. Definiert man daraufhin etwa Möglichsein als Vorhandensein von Teil-
bedingungen des Seins und Nichtvorhandensein der zureichenden Bedingungen
des Nichtseins, so wäre die Behauptung einer Möglichkeit unter allen Umständen
falsch. Denn erweist sich das für möglich Gehaltene als untatsächlich, so ist das
Möglichkeitsurteil widerlegt, weil dann der zweite Teil seiner Behauptung als falsch
erwiesen ist, und trifft das als möglich Bezeichnete tatsächlich zu, so ist der erste
Teil des Möglichkeitsurteiles falsch, weil — wie der Verfasser glaubt — die Aus-
sage einer Möglichkeit immer eine Behauptung der Möglichkeit des Nichtseins mit
einschließt, also nach unserer Definition besagen müßte, daß nur einige (nicht alle)
Teilbedingungen des Seins erfüllt seien. Ich möchte aber bemerken, daß ohne
diese Bestimmung, die ich für unberechtigt halte, das partielle Bedingtsein durch
eine Tatsache jedenfalls als das »von dieser Tatsache aus« möglich sein, also als
eine relative Möglichkeit gefaßt werden kann.

Ebenso beachtenswert wie die angedeuteten kritischen Überlegungen sind auch

') Bei der Wichtigkeit des Begriffes auch für gewisse ästhetische Untersuchungen
schien dem Herausgeber eine Anzeige der Schrift erwünscht.

-) Im Sinne der Meinongschen Unterscheidung von Bedeutung und Ausdruck.
Vgl. Über Annahmen (2. Aufl., Leipzig 1910), Register.

3) Logik, Wien 1904.

') Triftigeres hat gegen die in Rede stehende Möglichkeitsdefinition ihr Urheber
selbst, nämlich Meinong vorgebracht, und zwar in der (von Gallinger nicht berück-
sichtigten) 2. Auflage des Buches »Über Annahmen«. Hier wird auch eine positive
Bestimmung des Möglichkeitsbegriffes geboten, mit der sich die Gallingersche sehr
nahe berührt. A. a. O. S. 89 ff.
 
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