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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 9.1914

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130 BESPRECHUNGEN.

mann und Heinse, die bald Dichter, bald Musiker waren, zur Untersuchung an. Ich
verweise nur auf die Schriften von Ernst Glöckner und Karl Schäffer sowie auf
die Abhandlungen von Ottokar Fischer (Zeitschr. f. Ästhetik u. allgem. Kunstwissen-
schaft Bd. II, 1907, S. 501 ff.) und von E. Sulger-Gebing (Zeitschr. f. vergleichende
Literaturgesch. N. F. Bd. XII, 1898, S. 338).

Um so erfreulicher ist es, daß eine jüngst erschienene Arbeit von Werner
Hubert sich mit dem Verhältnis der Musik zur gesamten Romantik auseinander-
setzt, daß sie die Musikästhetik, die wie alle Theorie vor allem die Frühromantik
interessiert, als organisches Glied des Ganzen zu betrachten sucht, daß sie musik-
ästhetische Ideen, die neu in der Zeit auftauchen und die ganze Frage weitertreibeu,
herausschält. Der Verfasser wurde von einem plötzlichen Tod hinweggerafft und
es ist zu bedauern, daß die Arbeit als Fragment vor uns liegt, dem die letzte glät-
tende und ordnende Hand fehlt, daß die feinsinnigen Gedanken nicht zu einer Ein-
heit zusammentreten durften. Widersprüche, die sich dem überschauenden Blick
ergeben, sind leicht zu entschuldigen durch die Ergebnisse verschiedener Studien-
perioden. Die letzten Überarbeitungen hätten wohl zu einem Ausgleich geführt.
Da wir somit vor einem werdenden Buche stehen, das vielleicht noch manche
Ideenumbiegung zugelassen hätte, ist das Folgende, das sich in manchen Ansichten
von den Ausführungen Huberts unterscheidet, nicht eigentlich als Kritik an dem
verstorbenen Verfasser zu nehmen, um so weniger, da Keime der ihm wider-
sprechenden Erwägungen schon überall in seinen Fragmenten und Exzerpten ent-
halten sind.

Als Gefolgsmann von Haym, Dilthey und Walzel stellt Hubert dem Rationalis-
mus der Aufklärungszeit das von Kant, vom Sturm und Drang, vom deutschen
Klassizismus und von der Romantik betonte Gefühl entgegen, dessen Wiederein-
setzung den Weg bereitet für eine Entwicklung der Musikästhetik. Durch eine
tiefe Kluft von der herrschenden Philosophie getrennt, fiel zeitlich zusammen mit
der Hochflut der Aufklärung die große Epoche der Bach, Händel, Haydn, Mozart
und Gluck. Die zeitgenössische Musikästhetik wurde nur von Fachmusikern be-
stritten. Sie bedienten sich der spärlichen Gedankenspäne, die voii philosophischer
Seite für die Musik abfielen, und konnten so den großen Künstlern nur zum Teil
gerecht werden. Um den rationalistischen Theorien des 18. Jahrhunderts erfolgreich
entgegenzutreten und das von der Zeit mehr geahnte als erfaßte Prinzip des Ge-
fühls zum Ausgangspunkt neuer Ideen zu machen, mußteerst ein Kant erscheinen.
Mit der Kritik der Urteilskraft, mit der theoretischen Anerkennung des Gefühls-
mäßigen wird die Alleinherrschaft der Vernunft gebrochen. Hubert stellt Kant nicht
nur an einen Wendepunkt der Ästhetik, sondern faßt ihn im engeren Sinn als Be-
gründer einer aufblühenden philosophischen Musikbetrachtung, indem durch ihn
einer tiefer schürfenden Forschung die freie Bahn eröffnet wird. Doch um tatsäch-
lich der Ausgangspunkt der musikästhetischen Gedankenketten eines Schopenhauer,
Wagner und Nietzsche zu werden, bedurfte Kant als Bindeglied der Romantik. Sie
überwindet durch metaphysische Ästhetik — wie später Schopenhauer — den bei
Kant noch bestehenden Gegensatz des formalistischen und inhaltlichen Moments in
der Musik und bringt zur Theorie Musikbegeisterung, intuitives Erfassen und ah-
nungsvolles Erleben.

Von allen Seiten kommen dem hochstrebenden Philosophieren auf musikalischem
Gebiet fördernde Anschauungen zu Hilfe. Das Interesse des Sturmes und Dranges
an deutscher Art und Kunst löst das Volkslied und den alten Minnesang aus den
Banden der Vergessenheit. Der Klassizismus, beeinflußt von neuplatonischeii
Denkern, verlegt den Schwerpunkt in Fragen der Kunst auf den »inneren Sinn«.
 
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