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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 9.1914

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BESPRECHUNGEN. 137

Der Natur der Sache nach liest sich das Buch etwas trocken. Es war schlechter-
dings nicht möglich, aus dem schlichten Lebensgange des braven stark handwerker-
lichen Künstlers einen Roman zu konstruieren. Dafür haben wir aber überall den
Eindruck der Zuverlässigkeit des Autors, und nur hier und da scheint mir ein Lob
etwas zu emphatisch geraten, ein Vergleich mit anderen Künstlern allzu kühn. Aber es
ist ja wohl unvermeidlich, daß ein Biograph, der jahrelang in der täglichen Gesell-
schaft seines Objektes gelebt hat, den vertraut gewordenen Freund überschätzt.

Die Ausstattung des Bandes ist eine geradezu glänzende, die dem Verlage alle
Ehre macht. Bessere Reproduktionen der Holzschnitte lassen sich kaum mehr er-
warten.

So läßt sich denn an dem Buche so gut wie gar nichts aussetzen.

Und dennoch gewährte mir die Lektüre keine reine Freude. Hat man sich
jahrelang mit der Ukiyoye-Schule beschäftigt, so wird man ihrer müde. Schöne
Mädchen und Schauspieler, gefällige Damen und wieder Schauspieler, gelegentlich
einmal gut bürgerliche Frauen und Kinder, das war so unsere stete Gesellschaft bei
Toyokuni wie bei seinen größeren Vorbildern. Und ihre malerische Behandlung
kann bei aller technischen Vollendung den Einfuß der Banalität des Gegenstandes
nicht verläugnen. Man fühlt sich versucht, verzweifelt wie Schiller »Shakespeares
Schatten« heraufzubeschwören. Man sehnt sich nach Göttern und Helden, chine-
sischen Weisen und Märchenlandschaften, mit einem Worte nach der teuren klassi-
schen Kunst des fernen Ostens. Wir können nicht in dieser sachlich wie seelisch
beschränkten Großstadtsphäre ewig verweilen. Aber merkwürdig! Eben diese klassi-
sche orientalische Kunst scheint für uns Deutsche kaum zu existieren. Eine ernst
zu nehmende chinesisch-japanische Kunstgeschichte hat noch kein Deutscher ge-
schrieben. Da müssen wir uns schon an Engländer oder Amerikaner wenden.

Vor ein paar Jahren sprach ich in diesen Blättern die Hoffnung aus, die Be-
schäftigung mit ihrem letzten dekadenten Zweige werde uns zur Einfühlung in
die klassische Kunst dienlich sein. Ich habe mich darin getäuscht. Der Weg von
der Ukiyoyeriu zu Li-Lung-Mien und Sesshu scheint nicht gangbar zu sein. Die
japanischen Holzschnitte zwar sind heute allen denen, die nur das geringste Interesse
für bildende Kunst haben, aus Monographien und Ausstellungen sattsam bekannt.
Aber der großen fernöstlichen Kunst steht unser »gebildetes Publikum« mit ganz
einmütiger Verständnislosigkeit gegenüber. Beweis: die Aufnahme der Berliner
Akademieausstellung vom Winter 1912. Beweis auch die neuerdings üppig ins
Kraut schießende deutsche Globetrotter-Literatur, deren Autoren ohne Ausnahme mit
dieser Kunst nichts, aber auch gar nichts anzufangen wissen.

Oder liegt vielleicht die Schuld gar nicht an ihnen, ist vielleicht diese Kunst
wertlos ?

Wir wissen, daß die Chinesen noch bis ins späteste Mittelalter das kultivierteste
Volk der Erde waren; daß ihre Kunst wiederum die höchste Bewunderung der
Japaner fand, daß einsichtige Beobachter immer wieder melden, die Japaner seien
ästhetisch unendlich feinfühliger als die Europäer. Ich glaube somit, wir können
uns wohl darauf verlassen, daß Chinesen und Japaner keine schlechte Kunst ge-
macht haben.

Wir Deutsche sind allem Außereuropäischen gegenüber ganz sonderlich schwer-
fällig. Wo wir nicht die Leiter unserer klassischen Erziehung anlegen können, ver-
zichten wir auf die Eroberung auch der reizvollsten Objekte. Nun handelt es sich
hier aber nicht etwa lediglich um eine romantische Schwärmerei, die uns in ferne
Zonen treibt. Es handelt sich hier um Beschaffung des besten Materiales zur
Lösung der wichtigsten Fragen der Rassenpsychologie und vor allem der Ästhetik.
 
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