DAS ANSCHAULICHE VORSTELLEN BEIM POETISCHEN GLEICHNIS. 205
Akustische Reproduktionen waren trotz des lauten Vortrags
nicht selten. Sie sind im ganzen etwa 18mal erwähnt worden und
fehlen auch bei den Tübinger Versuchen nicht, obwohl dort keine
besondere Frage nach dem akustischen Erleben gestellt worden war.
Recht häufig wird freilich auch das Fehlen der akustischen Phänomene
ausdrücklich betont. So heißt es z. B. auf dem Protokoll Tübingen
Nr. 18: »Das visuelle Bild war für mich sehr förderlich im ästhetischen
Genuß; alles in tiefem Schweigen.« Als Beispiele für das Hinzu-
treten akustischer Reproduktionen seien folgende Aufzeichnungen an-
geführt: »Tauben von weißlich-grauer Färbung; lebhafter, geräusch-
voller Flügelschlag« (Tübingen, Nr. 15); »Neben dem visuellen Bild,
das schnell vorüberschwebte, trat bald ein akustisches Moment hervor
— ein weiches Sausen und Schwirren, wie es beim Zug von
Vogelscharen beobachtet wird« (Tübingen, Nr. 7); »Ich hörte Dantes
.liebevolles Rufen' (Gießen, b, Nr. 16); »Sehr undeutliche Gestalten;
weiter dunkler Raum; ich höre den Lärm und das Geschrei« (der
Verdammten) »im Räume widerhallen« (Gießen, a, Nr. 3); »das
Sausen des Windes vernommen, das Wirbeln des Sandes gesehen«
(Gießen, a, Nr. 5). — Auf die ästhetische Wirkung solcher Pseudo-
empfindungen wird nirgends ausdrücklich verwiesen; man wird aber
kaum bezweifeln können, daß auch sie die Stimmung recht wesentlich
zu beeinflussen vermögen.
Der letzte Punkt, den ich besprechen möchte, bezieht sich auf das
Gebiet der Kinästhesie1). Ich habe in meiner »Einleitung in die Ästhetik«
das »Spiel der inneren Nachahmung« ganz allgemein als die Grund-
lage des ästhetischen Genießens bezeichnet. Später habe ich bei vielen
Gelegenheiten eingeräumt, daß ich dabei den (damals — 1892 — wohl
zu entschuldigenden) Fehler machte, einen besonderen Typus des
Verhaltens als etwas Generelles anzusehen. Müller-Freienfels hat in
sachlicher Übereinstimmung mit Ausführungen, wie ich sie z. B. in der
Kuno-Fischer-Festschrift (Artikel »Ästhetik«) gemacht hatte, die hier in
Betracht kommende individuelle Differenz sehr glücklich gekennzeichnet,
indem er beim ästhetischen Verhalten die »Mitspieler« und »Zu-
schauer« unterschied. Bei den aktiven Mitspielern kommt das Gebiet
der Kinästhesie in reproduktiver und in sensorischer Form in Betracht.
Da ich für diesen Typus nun einmal ein besonderes Interesse habe,
stellte ich in Gießen beidemal die Frage, ob die Bewegungsvorgänge
so wirkten, als sei die Versuchsperson selbst von der Bewegung
ergriffen worden, und ob sich Empfindungen im eigenen Körper dabei
einstellten. Es haben sich nun in allen Versuchsgruppen kinästhetische
') Auch in dieser Hinsicht bieten die Versuche Downeys viel Interessantes.
Akustische Reproduktionen waren trotz des lauten Vortrags
nicht selten. Sie sind im ganzen etwa 18mal erwähnt worden und
fehlen auch bei den Tübinger Versuchen nicht, obwohl dort keine
besondere Frage nach dem akustischen Erleben gestellt worden war.
Recht häufig wird freilich auch das Fehlen der akustischen Phänomene
ausdrücklich betont. So heißt es z. B. auf dem Protokoll Tübingen
Nr. 18: »Das visuelle Bild war für mich sehr förderlich im ästhetischen
Genuß; alles in tiefem Schweigen.« Als Beispiele für das Hinzu-
treten akustischer Reproduktionen seien folgende Aufzeichnungen an-
geführt: »Tauben von weißlich-grauer Färbung; lebhafter, geräusch-
voller Flügelschlag« (Tübingen, Nr. 15); »Neben dem visuellen Bild,
das schnell vorüberschwebte, trat bald ein akustisches Moment hervor
— ein weiches Sausen und Schwirren, wie es beim Zug von
Vogelscharen beobachtet wird« (Tübingen, Nr. 7); »Ich hörte Dantes
.liebevolles Rufen' (Gießen, b, Nr. 16); »Sehr undeutliche Gestalten;
weiter dunkler Raum; ich höre den Lärm und das Geschrei« (der
Verdammten) »im Räume widerhallen« (Gießen, a, Nr. 3); »das
Sausen des Windes vernommen, das Wirbeln des Sandes gesehen«
(Gießen, a, Nr. 5). — Auf die ästhetische Wirkung solcher Pseudo-
empfindungen wird nirgends ausdrücklich verwiesen; man wird aber
kaum bezweifeln können, daß auch sie die Stimmung recht wesentlich
zu beeinflussen vermögen.
Der letzte Punkt, den ich besprechen möchte, bezieht sich auf das
Gebiet der Kinästhesie1). Ich habe in meiner »Einleitung in die Ästhetik«
das »Spiel der inneren Nachahmung« ganz allgemein als die Grund-
lage des ästhetischen Genießens bezeichnet. Später habe ich bei vielen
Gelegenheiten eingeräumt, daß ich dabei den (damals — 1892 — wohl
zu entschuldigenden) Fehler machte, einen besonderen Typus des
Verhaltens als etwas Generelles anzusehen. Müller-Freienfels hat in
sachlicher Übereinstimmung mit Ausführungen, wie ich sie z. B. in der
Kuno-Fischer-Festschrift (Artikel »Ästhetik«) gemacht hatte, die hier in
Betracht kommende individuelle Differenz sehr glücklich gekennzeichnet,
indem er beim ästhetischen Verhalten die »Mitspieler« und »Zu-
schauer« unterschied. Bei den aktiven Mitspielern kommt das Gebiet
der Kinästhesie in reproduktiver und in sensorischer Form in Betracht.
Da ich für diesen Typus nun einmal ein besonderes Interesse habe,
stellte ich in Gießen beidemal die Frage, ob die Bewegungsvorgänge
so wirkten, als sei die Versuchsperson selbst von der Bewegung
ergriffen worden, und ob sich Empfindungen im eigenen Körper dabei
einstellten. Es haben sich nun in allen Versuchsgruppen kinästhetische
') Auch in dieser Hinsicht bieten die Versuche Downeys viel Interessantes.