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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 9.1914

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https://doi.org/10.11588/diglit.3043#0272

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266 BESPRECHUNGEN.

sei.. . Aber dieses Bemoralisieren selbst, die Art, wie mit Lessing wegen seiner
Art der Wohltätigkeit gerechnet wird, oder wie ihm vorgehalten wird, er habe zu
viel Zeit totgeschlagen, dies und Ähnliches wirkt doch pastoral im ungünstigen
Sinne. Dann die predigthafte Anlage, die unaufhörlich und ermüdend mit dem
Text spielt: er war mehr als — aber eben deshalb auch weniger als — (oder um-
gekehrt); und endlich und vor allem die naive Selbstverständlichkeit, mit der der
Verfasser verlangt, daß Lessing als Theolog, Ästhetiker, Philosoph Schrempfs
Ansichten gehabt haben müßte, um recht zu haben. Ist es denn z. B. so ganz, wie
der Verfasser meint, ausgemacht, daß es etwas wirklich Gräßliches in Wirklichkeit
überhaupt nicht gibt (S. 92)? Aber unaufhörlich tut der Verfasser Lessings Meinungen
in dieser Weise mit glatter Selbstverständlichkeit ab und wundert sich dann, daß
so wenig übrig bleibt! Ich fürchte, wenn Lessing Schrempfs Werk in solcher Weise
durchgehen würde, bliebe noch weniger!

Wenn aber für des Verfassers ebenso apodiktisch aufgestellte (und wiederholte)
wie anfechtbare Behauptung, es gebe keine produktive Kritik, sein Büchlein vielleicht
eher als die Kritik Lessings eine Stütze bieten könnte, so liegt das nicht nur daran,
daß der Glauben an die eigene Autorität noch gefährlicher ist als der Lessing vor-
geworfene an die fremde Autorität; sondern mehr noch daran, daß der Verfasser
sich prinzipiell und mit einem gewissen Eigensinn weigert, auf historische Fragen
einzugehen. Nun ist ein Werturteil im luftleeren Raum notwendig doktrinär; und
das Buch würde deshalb prinzipiell unfruchtbar sein, wenn der lebhafte Scharfsinn
und die gut schwäbische Originalität des Verfassers uns nicht doch alle Augenblicke
zu gesundem Nachdenken über allzu selbstverständlich gewordene Meinungen
zwingen würde.

Berlin. Richard M. Meyer.

H. E. Fischer, Briefwechsel von Imm. Kant in 3 Bänden. München bei
Georg Müller.

Es ist nicht dieses Ortes nachzuprüfen, inwiefern heute bereits eine Neu-
ausgabe der Briefe von und an Kant nottat. Es sei nur festgestellt, daß die vor-
liegende Neubearbeitung von H. E. Fischer mit nicht zu überbietender Sorgfalt
hergestellt ist und ein vorzügliches Einleitungs- und Schlußkapitel enthält. Fischer
befragt die Briefe, welche Zeitströmungen Kant bei seinem Auftreten gefördert oder
gehindert haben, und ferner, welche seiner Lehren bei den Zeitgenossen die größte,
welche die geringste Debatte hervorriefen. Dabei ergibt sich ihm als interessantes
Resultat, daß Kant sich im Beginn seiner Laufbahn am meisten »durch die über-
wiegende Hingabe der Zeit an die schönen Künste« gehemmt sah. »Auf dem
Gipfel seiner Laufbahn,« so fährt Fischer fort, »umbrandet von den lebhaftesten
geistigen Debatten, war für solche Klage kein Grund mehr, es sei denn gerade in
bezug auf seine kunsttheoretischen Ansichten. Zu einer eingehenderen brieflichen
Auseinandersetzung über die Grundlehren der Kantischen Ästhetik kommt es nicht;
neben gelegentlichen Bemerkungen und Fragen über Einzelheiten kommen nur von
einigen Seiten, besonders von Reinhold, Beck und Schiller allgemeine Äußerungen
über den Gesamteindruck des Werkes. »Immerhin«, so schließt Fischer seine feinen,
gedankenreichen Ausführungen, »bleibt es in einer Blüteperiode der Kunst eine auf-
fällige Tatsache, daß in dem Briefwechsel Kants seine Ästhetik kaum zu Worte
kommt.«

Berlin. Hugo Marcus.
 
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