Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 9.1914

DOI Artikel:
Werner, Alfred: Zur Begründung einer animistischen Ästhetik, [1]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.3043#0399

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
ZUR BEGRÜNDUNG EINER ANIMISTISCHEN ÄSTHETIK. 393

in der Wirklichkeit nicht zu finden ist. Steht doch mit dem Worte
Seelentätigkeit entweder ein Einheitswirken zur Verhandlung wie im
Willenswirken oder ein Bestimmtheitswirken, z. B. ein Triebwirken,
wobei ein Gefühl, das zum Einzelwesen Seele gehört, die wirkende Be-
dingung abgibt für die Veränderung eines anderen Einzelwesens. Stets
jedoch können wir zwei Einzelwesen nachweisen, wenn von Wirken
und Wirkung die Rede ist. Wirkende und grundlegende Bedingung
gehören als Allgemeines zu einem von zwei Einzelwesen, niemals ein
und demselben Einzelwesen zu. Darum ist es sinnlos, ästhetisches
Genießen, also ein besonderes Fühlen, für eine »Tätigkeit« oder »Funk-
tion« der auf sich selbst wirkenden Seele zu halten. Um nicht selbst
in derartige weitverbreitete, für die Ästhetik verhängnisvolle Irrtümer
zu verfallen, die der jeweilig zugrunde liegenden Psychologie aufs Konto
zu schreiben sind, geben wir allen den Seelenlehren, auf die sich die
Ästhetiker bisher gestützt haben, den Abschied. Zunächst gilt es, das
Fundament zu sichern, auf dem die Ästhetik stehen kann. Damit werden
wesentliche, für alle Geisteswissenschaften wichtige Fragen berührt, die
in neuester Zeit vor allem von Rehmke und Husserl als brennend erkannt
wurden. Wenn wir auch im übrigen aus Gründen, die wir darlegen
werden, mit Husserl und seinen Anhängern nicht übereinstimmen, darin
wissen wir uns eins mit den Phänomenologen: um sicher zu bauen,
gilt es zunächst, den gemeinsamen Boden zu untersuchen, auf dem
sich die verschiedenen Geisteswissenschaften erheben. Vollkommene
Vorurteilslosigkeit in der Untersuchung des allgemeinsten Gegebenen
gilt es zu wahren, wenn wir richtige Aussagen machen wollen, d. h.
Aussagen, denen ein Gegebenes entspricht. Diese Fragen nach dem
Allgemeinsten, die eigentlichen Grundfragen, sind nun bereits vor-
urteilsfrei durch die »Philosophie als Grundwissenschaft«1) beantwortet.
In ihr wird zunächst alles in Zweifel gezogen, bis der Ausgangspunkt,
der eigentliche Ansatz, gefunden ist, an dem niemand mehr zweifeln
kann. Der von der Grundwissenschaft gefundene Ansatz, ihre Voraus-
setzung, enthält nun aber imGegensatz zu allen übrigen Wissenschaften
kein Urteil in sich. Darum ist diese Grundwissenschaft allein die ein-
zige vorurteilsfreie Wissenschaft. Das »Gegebene schlechtweg« ist
dieser vorurteilsfreie Ansatz, »das Gegebene schlechtweg oder das Ge-
gebensein des Gegebenen überhaupt«2). Es führte zu weit, die be-
sonderen Resultate der »Philosophie als Grundwissenschaft«, mit denen
wir arbeiten, auf diesem engen Räume vorzuführen. Wesentlich für
unsere Untersuchung, die es mit besonderen Bestimmtheiten, will ge-

') J. Rehmke, Philosophie als Grundwissenschaft. Leipzig 1910.
2) a. a. O. S. 82.
 
Annotationen