ZUR BEGRÜNDUNG EINER ANIMISTISCHEN ÄSTHETIK. 487
Subjekts« Ding schlechtweg. Darin liegt der fundamentale Irrtum
phänomenologischer Methode: Man meint, das dem einzelnen Bewußt-
sein Gegebene müsse erst verarbeitet werden, um sein elSo?, sein
Wesen, d. h. die Summe der allgemeinen Bestimmtheiten, herausheben
zu können. Die Phänomenologen übersehen, daß Allgemeines, in der
Logik gemeiniglich Begriff genannt, sich im Gegebenen selbst findet.
Wenn ich das »allen« Gemeine, etwa die Größe an einer Anzahl Dinge,
»erfaßt« habe, dann habe ich es eben und brauche nicht erst zu einem
»prädikativen Denken« die Zuflucht zu nehmen, um es dann zu »haben«.
Die Phänomenologen wollen das »Wesen« des Gegebenen ergründen.
Daß es in aestheticis mit Hilfe der Phänomenologie niemals gelingen
wird, den Zweck, d. h. das Gewollte, ihrer Anhänger, zu verwirklichen,
mag uns der Phänomenologe Geiger selbst erzählen: »... So sind auch
die Eigenschaften des Genießens sowohl wie seine Beziehungen zu
anderen Erlebnissen für uns von besonderem Interesse, auch wenn
das eigentliche Wesen des Genusses niemals aufgezeigt
werden kann. . . .«
»Der phänomenologischen Analyse wird es natürlich niemals ge-
lingen, ans Licht zu stellen, was letztlich ein Erlebnis vom anderen,
einen Gegenstand vom anderen unterscheidet.« »Wer also eine An-
gabe darüber erwartete, was denn Genießen nun eigentlich ist ...,
der stellt der Analyse eine unmögliche Aufgabe«1).
5. Die psychologischen Quellen des ästhetischen Eindrucks
bei Johannes Volkelt.
Johannes Volkelt spricht dem seelischen Gehalt des Ästhetischen
eindringlich das Wort. Seine prachtvollen Worte über die Musik
sagen uns, wie nahe wir ihm stehen. »Indem unser Ohr die Töne
aufnimmt, werden uns diese zugleich zu Kündigern mannigfaltigen
Lebens. Es scheint in den Tönen zu spielen und zu singen, zu siegen
und zu unterliegen, zum Lichte zu dringen, in Finsternis zu stürzen
und im Dämmer zu schweben; es scheint in ihnen gemessen zu
schreiten, mutvoll zu erobern, zögernd zu weichen, lächelnd dahinzu-
tändeln. Es scheint in ihnen bald süß zu träumen, bald verlassen zu
klagen, bald in Lebensfülle zu frohlocken, bald schalkhaft zu necken.
Die kahlen, leeren Töne sind eine Abstraktion, von der kein Gefallen
oder Mißfallen ausgeht; eine gewaltsam abgelöste Oberfläche, die als
solche für den genießenden Hörer nicht vorkommt2).
') Geiger, a. a. O. S. 603.
2) J. Volkelt, System der Ästhetik I, S. 434.
Subjekts« Ding schlechtweg. Darin liegt der fundamentale Irrtum
phänomenologischer Methode: Man meint, das dem einzelnen Bewußt-
sein Gegebene müsse erst verarbeitet werden, um sein elSo?, sein
Wesen, d. h. die Summe der allgemeinen Bestimmtheiten, herausheben
zu können. Die Phänomenologen übersehen, daß Allgemeines, in der
Logik gemeiniglich Begriff genannt, sich im Gegebenen selbst findet.
Wenn ich das »allen« Gemeine, etwa die Größe an einer Anzahl Dinge,
»erfaßt« habe, dann habe ich es eben und brauche nicht erst zu einem
»prädikativen Denken« die Zuflucht zu nehmen, um es dann zu »haben«.
Die Phänomenologen wollen das »Wesen« des Gegebenen ergründen.
Daß es in aestheticis mit Hilfe der Phänomenologie niemals gelingen
wird, den Zweck, d. h. das Gewollte, ihrer Anhänger, zu verwirklichen,
mag uns der Phänomenologe Geiger selbst erzählen: »... So sind auch
die Eigenschaften des Genießens sowohl wie seine Beziehungen zu
anderen Erlebnissen für uns von besonderem Interesse, auch wenn
das eigentliche Wesen des Genusses niemals aufgezeigt
werden kann. . . .«
»Der phänomenologischen Analyse wird es natürlich niemals ge-
lingen, ans Licht zu stellen, was letztlich ein Erlebnis vom anderen,
einen Gegenstand vom anderen unterscheidet.« »Wer also eine An-
gabe darüber erwartete, was denn Genießen nun eigentlich ist ...,
der stellt der Analyse eine unmögliche Aufgabe«1).
5. Die psychologischen Quellen des ästhetischen Eindrucks
bei Johannes Volkelt.
Johannes Volkelt spricht dem seelischen Gehalt des Ästhetischen
eindringlich das Wort. Seine prachtvollen Worte über die Musik
sagen uns, wie nahe wir ihm stehen. »Indem unser Ohr die Töne
aufnimmt, werden uns diese zugleich zu Kündigern mannigfaltigen
Lebens. Es scheint in den Tönen zu spielen und zu singen, zu siegen
und zu unterliegen, zum Lichte zu dringen, in Finsternis zu stürzen
und im Dämmer zu schweben; es scheint in ihnen gemessen zu
schreiten, mutvoll zu erobern, zögernd zu weichen, lächelnd dahinzu-
tändeln. Es scheint in ihnen bald süß zu träumen, bald verlassen zu
klagen, bald in Lebensfülle zu frohlocken, bald schalkhaft zu necken.
Die kahlen, leeren Töne sind eine Abstraktion, von der kein Gefallen
oder Mißfallen ausgeht; eine gewaltsam abgelöste Oberfläche, die als
solche für den genießenden Hörer nicht vorkommt2).
') Geiger, a. a. O. S. 603.
2) J. Volkelt, System der Ästhetik I, S. 434.