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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 9.1914

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BESPRECHUNGEN. 531

heraus jene ihr Leben gewannen. Wenn Matthaei im Gegensatz zu anderen Histo-
rikern die Ansicht vertritt, daß nicht die Einzelformen, sondern die Gliederung im
großen für den Charakter eines Bauwerkes maßgebend sei, so stimme ich ihm auf
Grund eigener Beobachtung gerne zu. »Ein Haus wird nicht dadurch romanisch,
daß man rundbogige Fenster und Würfelkapitelle anbringt, und nicht dadurch
gotisch, daß man ein paar Spitzbogen und etwas Maßwerk einsetzt.« ... »Aber
ein Haus kann durch kräftige Gliederung, massige Behandlung und schwerfällige
Konstruktion romanisches Gepräge bekommen, auch wenn wenig Formen daran
sind« (S. 42).

Der Leitfaden Matthaeis führt bis in unsere Tage mit ihren vielen Experimenten
auf dem Kunstgebiet. An die Möglichkeit der Erneuerung unserer Architektur aus
nationalem Geiste kann ich aber trotz Matthaeis zuversichtlicher Hoffnung nicht
glauben. Ich weiß vielmehr, daß sich in Europa bei aller Verschiedenheit der
Künstlerindividualitäten auf architektonischem Gebiet ein starkes internationales
Kunstgefühl geltend macht, aus dem heraus die Zukunftsarchitektur erwachsen wird.

Danzig-Langfuhr.

Alfred Werner.

Georg Dehio, Kunsthistorische Aufsätze. München-Berlin 1914. Verlag
von R. Oldenbourg. 8°. 303 S.

Georg Dehio, der verdienstvolle Erforscher mittelalterlicher Baukunst, zeigt in
seinen kunsthistorischen Aufsätzen, die zum Teil schon vor Jahrzehnten konzipiert
wurden, wie sein Interessenkreis über das Architekturgebiet weit hinausgeht. In
21 kleineren Schriften werden bald besondere Kunstwerke wie das Gemminger-
denkmal im Mainzer Dom, die Skulpturen des Bamberger Domes, unteritalienische
Burgen Kaiser Friedrichs II. behandelt, bald werden größere Perioden charakterisiert
wie Mittelalter oder 16. Jahrhundert! auch über allgemeiner interessierende Themata
wie »das Verhältnis der geschichtlichen zu den kunstgeschichtlichen Studien«, über
»Denkmalpflege und Museen« wird manch anregendes Wort gesprochen. — An
dieser Stelle aber berühre ich Fragen, die mehr die allgemeine Kunstwissenschaft
angehen, ohne die vielen stilkritischen Untersuchungen Dehios zu prüfen.

Es ist freudig zu begrüßen, wenn ein Kunsthistoriker vom Range Dehios neben
historischer Kunstbetrachtung systematische Behandlung der Probleme fordert. Es
ist ferner hoch anzurechnen, wenn ein Forscher, der nicht aus philosophischem
Lager kommt, neben der ästhetischen Analyse als der »grundlegenden Arbeit«
Kunstwerken gegenüber auch die Einstellung aufs Nationale, Ethische oder Religiöse
verlangt. So heißt es von mittelalterlicher Zeit: »Was die Kunst für ihren zweiten,
oder wenn man will obersten Beruf, die Vermittlung religiöser Vorstellungen, ge-
leistet hat, ist noch nie zusammenhängend untersucht worden, eine wissenschaftlich
nicht leichte Aufgabe, aber Aufschlüsse verheißend, die auf keinem anderen Wege
gewonnen werden konnten« (S. 70 f.). Unter diesem Gesichtspunkt ist es verständ-
lich, wenn Dehio auf engeren Zusammenschluß von Geschichte und Kunstgeschichte
dringt. Um mit einem seiner Beispiele zu schließen: »Kein Historiker kann den
Seelenzustand des deutschen Volkes am Vorabend der Reformation kennen, er hätte
denn die Bilderwelt dieser Zeit aufs gründlichste sich zu eigen gemacht. Und
ebenso wird kein Kunsthistoriker glauben dürfen, sein Gegenstand sei hier mit
Forschungen über Schulzusammenhänge und Stilprobleme erschöpft« (S. 72).

Berlin-Charlottenburg.

Alired Werner.
 
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