Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 11.1916

DOI Artikel:
Besprechungen
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.3817#0091

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
86 BESPRECHUNGEN.

So sehr Mut und Leistungsfreude des ganzen Unterfangens die größte An-
erkennung verdienen, so wäre diese Aufgabe nur lösbar, wenn alle Teile des
Werkes von demselben Autor geschrieben werden würden. Denn es scheint uns
jede Möglichkeit zu fehlen, die einzelnen Autoren auf die gleiche pädagogische
Methode zu verpflichten. Die Voraussetzung hierzu wäre ja die für alle gemein-
same ästhetische Basis. Diese ist aber keineswegs vorhanden.

Soweit man sich nach den vorliegenden Teilen ein Urteil bilden kann, dürften
also die Abteilungen, die Burger selber schreibt, einen anderen Charakter als das
meiste des übrigen bekommen. Burger wendet die von Schultze-Naumburg und
Wölfflin eingeführte Methode des Vergleiches von Beispiel und Gegenbeispiel an.
Eine Methode, die tatsächlich wie wenige andere geeignet ist, der Anleitung zum
Verständnis von Kunstwerken zu dienen, und die aus den Unterrichtsbüchern kunst-
geschichtlicher Art wohl nie mehr verschwinden dürfte. Wenn etwas gegen sie zu
sagen ist, so ist es nur das, daß gerade das rein Historische bei ihr oft sehr stark
in den Hintergrund tritt. Das ist bereits an der Grunddisposition des von Burger
begonnenen Bandes deutlich zu merken. Die »deutsche Malerei vom ausgehenden
Mittelalter bis zum Ende der Renaissance«, der siebente Band des Handbuches,
beginnt mit drei ganz allgemeinen Kapiteln. Er springt mit dem ersten Ȇber
Wert und Wesen der deutschen Kunst der Renaissance« gleich an das Ende des
Themas. Burger sagt im »Vorwort« dazu: »Der Leser soll nicht erst sich durch
den ganzen Gang der Ereignisse hindurchwinden und von einer Persönlichkeit zur
anderen wandern müssen, um langsam Interesse und Liebe auf diesem Dornenweg für
die Sache zu gewinnen, sondern er soll mit beiden Füßen zugleich in die hier zu
behandelnde Welt treten, mit ihr denken, hassen und lieben lernen, ihre Wesenheit
als Ganzes schauen, bevor er den ganzen Reichtum ihrer, in der geschichtlichen
Folge sich darbietenden Einzelzüge kennen lernt.« Schon Inhalt und Stil dieses
einen Satzes zeigen die Vorzüge und Nachteile der ganzen Denk- und Arbeitsweise
Burgers, die sich in allem Folgenden immer wieder finden. Ein großer innerer
Reichtum an Wissen und Gesichtspunkten, doch ein stark ungehemmtes Nachgeben
an alle sich eben anschließenden Assoziationen. Große Fülle, aber dabei einige
Unklarheit. Auf ein zweites Kapitel »Vom Mittelalter zur Renaissance« folgt dann
ein Sammelkapitel, das unter dem Titel »Kunst und Künstler« alles mögliche ent-
hält: Technisches, Ästhetisches, Historisches, Kulturgeschichtliches. Und dann erst,
im vierten Kapitel, schließt der Faden an den vorausgehenden Band des Hand-
buches an. Von hier ab werden dann die einzelnen Lokalschulen, etwa vom
Jahre 1350 an, besprochen. —

Der einzige bereits vollständige Band von Wulff: Altchristliche und byzantinische
Kunst ist einheitlicher orientiert. Er gibt in streng historischer Folge die erste zu-
sammenfassende Geschichte der altchristlichen Kunst überhaupt. Wulff findet den
Grund für diese Tatsache in der verwickelten Eigenart dieser Periode. Es fehlen ihr
nicht nur die führenden Künstlerpersönlichkeiten; es fehlt ihr auch der Träger eines
einheitlichen Volkstums. »Ihr Wachstum ist das Ergebnis des Zusammenwirkens
verschiedener Rassen und mehrerer Kunstkreise, die in beständigem Austausch mit-
einander stehen.« Wobei sich die Forschung erst in den letzten Jahren von der
Fiktion freigemacht hat, daß es Einen maßgebenden und bleibenden Mittelpunkt
des altchristlichen Kunstschaffens gegeben habe.

Mit diesen Sätzen des »Vorwortes« entscheidet Wulff den jahrelangen Streit
zwischen Wickhoff und Strzygowski zugunsten des letzteren. Wickhoff war noch
der Ansicht, daß »Rom« den Mittelpunkt für die ganze altchristliche Kultur und
Kunst bedeute. Strzygowski hat als erster die Basis immer mehr nach dem Osten
 
Annotationen