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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 11.1916

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https://doi.org/10.11588/diglit.3817#0355

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350 BESPRECHUNGEN.

Um diese methodologische Kritik an der Beweisführung des Verfassers abzu-
schließen, nehmen wir in diesen Zusammenhang noch einen weiteren nicht un-
interessanten Beweisversuch herein. Es handelt sich darum, wie das Blatt der
»babylonischen Buhlerin« chronologisch einzuordnen sei. Der Verfasser bereitet
sich die Basis für seine Bestimmung, daß das Blatt nicht am Anfang der ganzen
Arbeit stehe, ja daß es nach B. 62, 63, 64 (S. 65), selbst nach B. 61 (S. 62) zu
setzen sei, — wenn wir so Wortlaut und Beweistendenz recht verstehen, — in den
Worten: ». . . wenn ich resümiere, was sich an positiven Resultaten im Laufe dieser
Untersuchung durch die intensive Beschäftigung mit diesen Luft- und Lichtphäno-
menen herausgeschält hat. .., ergibt sich ganz von selbst die bestimmte Vorstel-
lung, daß bei gewissen, stets wiederkehrenden Erscheinungsformen eine unverkenn-
bare Urform vorhanden sein muß, zu der dann durch diese oder jene Akzessorien,
Verbesserungen gekommen sind, und dadurch auch eine gewisse Vervollkommnung,
die zu dem Schluß berechtigt: das war früher und jenes ist daraus geworden«
(S. 60 f.).

Auch hier ist zunächst zuzugeben, daß die formale Grundlage der Argumen-
tation tragfähig ist, wenn sie nicht zu viel tragen soll, oder wenn sich nicht in den
Aufbau Fehler einschleichen auf Grund falscher Schätzung des angezogenen Tat-
sachenmaterials.

Der Verfasser glaubt nun (S. 61 f.), daß »die mit unvergleichlicher Wucht gen
Himmel geschleuderten Rauch- und Aschenmassen« im Brande der Stadt Babylon
auf B. 73 gegenüber denen des Stadtbrandes auf B. 68 (und den Flammen auf B. 71),
daß ferner »die züngelnden Feuerflammen im Gefolge des die babylonische Dirne
tragenden Drachens« gegenüber jenen auf B. 61 und 68, daß schließlich »die dunkle
Wolkenschicht und die großen weißen Wolken« gegenüber denen von B. 62 und 64
»deutlich ein gewisses Hineinreifen in diese Aufgaben, . . . ein deutlicher heraus-
gekehrtes Prävalieren des Wesentlichen innerhalb eines bestimmten Motives« (S. 63)
erkennen lassen. Der Schluß daraus ist: B. 73 ist demnach nicht an den Anfang
der in Frage stehenden Holzschnittfolge zu setzen; ja es muß eben nach jenen
Blättern eingeordnet werden, im Vergleich zu denen es in der Darstellung der
Naturphänomene sich als vollkommen ausweist. (Wenn der Verfasser [auf S. 63]
die Tendenz seiner Argumentation abschwächend bemerkt: »so viel darf ich mit
gutem Recht behaupten, . .. daß man . . . von Entwicklung reden darf«, so nimmt
er damit doch eigentlich seiner These [auf S. 60 und 65] die Pointe.)

Wir dagegen sind der Ansicht: soll diese Vergleichung ein wirklich brauch-
bares Ergebnis für die chronologische Fixierung des Blattes ergeben, dann muß
vor allem in Bezug auf die Vergleichungspunkte die Entwicklungslinie von B. 61,
62, 64 (diese Gruppe differenziert der Verfasser nicht weiter) zu B. 73 gesichert
sein. Je weniger das der Fall ist, desto mehr, glauben wir, wird gegen die Detail-
vergleichung geltend gemacht werden können, »daß man — wie H. Wölfflin, wenn
auch unter einem andern Gesichtspunkt, sagt, — bei diesen Zeichnungen von den
einzelnen Figuren nicht ausgehen darf. Das Maßgebende ist der Linien- und Ton-
zusammenhang des Ganzen, nicht das einzelne Motiv« (Die Kunst Albrecht Dürers
2 S. 42): wir glauben, das auch auf den stilistischen Gesamthabitus eines Blattes
anwenden zu dürfen. Der Verfasser dagegen meint allerdings (S. 61), es sei die
Beschränkung, die der eng gesteckte Rahmen dieses Themas auflegt, nur von Vor-
teil; »denn wir gewinnen so in dieser Frage mühelos ein zuverlässigeres Resultat,
als es . . . die kritische Gesamtwürdigung des Blattes zu geben vermag.« Was nun
die Ergebnisse der Vergleichung als solche betrifft, so können wir nicht sehen, daß
z. B. die Wolkenbildung von B. 73 gegenüber der auf B. 62 und 64 einen ent-
 
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