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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 11.1916

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Rodenwaldt, Gerhart: Wölfflins "Grundbegriffe" und die antike Kunst
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Werner, Alfred: Grundwissenschaft und Ästhetik
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https://doi.org/10.11588/diglit.3817#0446

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BEMERKUNGEN. 441

Nachlassen der künstlerischen Produktivität empfindet. Die Klassik hatte ihre Kräfte
erschöpft, während den neueren Völkern dank der Antike die Klassik leichter ge-
worden ist. Die Unterbrechung in der landschaftlichen Kontinuität und die gewaltige
quantitative Steigerung in den Leistungen der hellenistischen Kunst haben weitere
lähmende Wirkungen ausgeübt. Über dem äußeren Glanz der hellenistischen Kunst
ist das Stocken der inneren Entwicklung -oft vergessen worden. Die Worte des
Plinius »cessavit deinde ars« sind historisch doch nicht ganz ohne Berechtigung.
Wölfflins Analyse des Barock läßt zum ersten Male mit voller Deutlichkeit empfinden,
wie hier die Anschauungsformen neuerer Zeit und insbesondere der germanischen
Völker eine von der Antike grundsätzlich verschiedene, aber ihr gleichwertige Welt
der Kunst erschlossen haben, und lehrt auf der anderen Seite das Wesen der
antiken Kunst schärfer erkennen — in ihrer Größe und in ihrer Begrenztheit.

Grundwissenschaft und Ästhetik.

Von

Alfred Werner.

Wie bei jeder Wissenschaft wird man auch bei der Ästhetik eine feste Grund-
lage suchen müssen, auf der man sein Gebäude errichtet. Die Ästhetik gilt als eine
Disziplin der Philosophie im allgemeinsten, nicht gerade fest umrissenen Sinn dieses
Wortes. Es ist nun Aufgabe des Ästhetikers, zu sagen, was er unter Philosophie
versteht und zu erklären, wie die Ästhetik mit dieser Wissenschaft verkettet ist.
Vielleicht macht man uns den Vorwurf, wir gingen über das uns angewiesene Ge-
biet hinaus und führten eine Untersuchung, die für den Sinn des zu bestimmenden
Gegenstandes fruchtlos sei. Dieser Vorwurf träfe in der Tat zu, wenn über die
Grundlage der Ästhetik vollkommene Klarheit und Übereinstimmung herrschte. Aber
die Ästhetiker hellen das Dunkel, das unsere besondere Wissenschaft umgibt, oft
überhaupt nicht auf, weil sie glauben, ihr besonderer Gegenstand erstrahle in eigenem
Lichte und gäbe von selbst auf jede an ihn gerichtete Frage die schuldige Ant-
wort, oder sie bedienen sich gewisser, in ihrem philosophischen Ansatzpunkt mit
Vorurteilen belasteter Theorien, die dann später als vermeintliche Selbsverständ-
lichkeiten, in der Tat als grobe Irrtümer, bis in die feinsten Untersuchungen auf
ästhetischem Gebiet eingedrungen sind; sie entstellen die Zeichnung als schlimme
Fehler der Perspektive. Vorwissenschaftliche Naivität in der Übernahme sozusagen
landläufiger Irrtümer, ungenügende Klärung der Begriffe, mangelhafte Festlegung
der Bezeichnungen wesentlicher Tatsachen haben so zu verschiedenen, einander oft
widersprechenden Urteilen der einzelnen Forscher geführt. Viel weniger die sub-
jektive Besonderheit der Betrachter beim ästhetischen Genießen und Bewerten als
die Besonderheit ihrer allgemeinen, philosophischen Stellung hat so mannigfaltige
Darstellungen des ästhetischen Lebens gezeitigt.

Es kommt mir an dieser Stelle darauf an, das Methodische zu betonen; Einzel-
heiten, die zum Teil bereits in meiner Schrift »Zur Begründung einer animistischen
Ästhetik« (in dieser Zeitschr. Jahrg. 1914 Juli und Oktober) ausgeführt wurden,
sollen hier weniger ausführliche Berücksichtigung finden.

Der Ansatzpunkt der Philosophie, die ich als Grundwissenschaft für die Ästhetik
ansehe, liegt im Gegebenen schlechtweg. Es soll mit diesem Worte jedoch keines-
 
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