Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 14.1920

DOI Artikel:
Utitz, Emil: Georg Simmel und die Philosophie der Kunst
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.3620#0008
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
EMIL UTITZ.

Maße unsterbliche Bedeutung verliehen — die ihr Kriterium als Wahr
heit jedenfalls nicht von dem Punkte her gewinnt, auf den die sach
liehe1 Bedeutung zugeht, sondern von dem, aus dem sie herauskommt«
Und in der nachgelassenen Schrift über »Lebensanschauung« heißt es
»Welcher Leitbegriff... jeweils dem einzelnen Denker seine Welt als
solche schafft, hängt ersichtlich von einem charakterologischen Typus
ab, von dem Weltverhältnis seines Seins, das das Weltverhältnis seines
Denkens begründet.«

Besonders deutlich spricht sich Simmel aus in der Einleitung zu
dem — unter dem Namen »Philosophische Kultur« erschienenen — Bande:
»Soll der philosophische Prozeß wirklich von der universellen Breite
des Daseins ausgehen, so scheint er... in unpräjudiziert vielen Rich^
tungen laufen zu müssen. Manche Erscheinungen, manche Stimmungen,
manche Verknüpfungen des Denkens weisen die philosophische Re-
flexion in eine Direktive, die, bis ins Absolute verfolgt, ein Pantheis-
mus wäre, manche umgekehrt in die Richtung des Individualismus;
manchmal scheint diese Reflexion in einem idealistischen, manchmal
in einem realistischen, hier in einem rationalen, dort in einem volunta-
ristischen Definitivum enden zu müssen. Es besteht also ersichtlich
eine innerlichste Beziehung zwischen der ganzen Fülle des gegebenen
Daseins, das der philosophischen Tiefenschicht zugeführt zu werden
verlangt, und der ganzen Fülle möglicher metaphysischer Absolutheiten.
Das flexible Gelenk zwischen beiden, die mögliche Verbindung, um
von jedem Punkte des einen zu jedem des anderen zu gelangen, schafft
jene/auf keine Absolutheit festgelegte Bewegtheit des Geistes, die in
sich selbst metaphysisch ist.« Simmel fühlt sich gedrängt, seinen Stand-
punkt gegen den naheliegenden Einwand zu verteidigen, es handle sich
hierbei um Eklektizismus und Kompromißweisheit. »Beide sind nicht
weniger an den festgewordenen Resultaten des Denkens verankert, als
irgendeine einseitige exklusive Philosophie; nur daß sie die gleiche
Form statt: durch einen prinzipiellen Gedanken, durch ein Mosaik von
Stücken solcher ausfüllen, oder deren Gegensätze graduell bis zur Ver-
träglichkeit herabsetzen. Hier aber handelt es sich um die ganz prin-
zipielle Wendung von der Metaphysik als Dogma sozusagen zu der
Metaphysik als Leben oder als Funktion, nicht um die Art des Inhalts
der Philosophie, sondern um die Art ihrer Form, nicht um die Ver-
schiedenheiten zwischen den Dogmen, sondern um die Einheit der
Denkbewegung...« Allerdings muß Simmel eingestehen, daß von den
genialen Schöpfern innerhalb der Geschichte der Philosophie kein
einziger diese Akzentverlegung von dem terminus ad quem der philo-
sophischen Bestrebung auf ihren terminus a quo zugeben würde. Er
sucht • diesen Sachverhalt dahin zu deuten, daß die überaus starke
 
Annotationen