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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 14.1920

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https://doi.org/10.11588/diglit.3620#0303
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BESPRECHUNGEN. 299-

Freiheit der Künste, und besonders in der Verteidigung der Dichterin Handel-
Mazetti gegen die Anklage des Modernismus in ihrem Jesse und Maria-Roman.

Ein schönes Beispiel synthetischer Betrachtungsweise gibt Katann in dem Auf-
satz »Zur Theorie der Novelle«. Daß er hierbei auf den noch nicht genügend be-
achteten Thesencharakter der Novelle hinweist, scheint mir ein besonderes Verdienst.
Dabei hätte allerdings-das Märchen mehr Berücksichtigung finden dürfen, denn
Thesencharakter besitzt das Volksmärchen sehr oft. — In dem Aufsatz vom »Wesen
der Literaturwissenschaft« tritt der Verfasser für eine erkenntnistheoretische Fun-;
dierung der Ästhetik im Sinne einer objektivistischen Weltansicht ein. Die prak-
tischen Beispiele, in denen er diese Forderung zu erfüllen sucht (in den Aufsätzen
»Wert und Wertung«, »Zur Technik des lyrischen Gedichts«, »Über den Titel im
lyrischen Gedicht«, »Zu Ibsens Gespenstern«), scheinen zu beweisen, daß er einen
ästhetischen Objektivismus etwa im Sinne Dessous erstrebt. Mag dieser ästhetische
Objektivismus bei Katann auch von einem theologisch-metaphysischen getragen sein,
so bedeutet das, wie seine Aufsätze zeigen, für die Arbeitsteilung und Werkfort-
setzung auf ästhetischem Gebiet kein Hemmnis. Er hat in den Analysen des Auf-
baus der Goetheschen Gedichte »Mailied« und »An den Mond«, der Liebesnacht«
von Greif und des vierten Stücks von Schönaich-Carolaths Fatthüme Musterstücke
kunstwissenschaftlicher Kritik gegeben. Der Weg, den er hier eingeschlagen hat
und den heute erfreulicherweise schon eine ganze Anzahl Forscher beschreiten,
verspricht uns die schönsten Ergebnisse für eine immer tiefer dringende Erkenntnis
der Kunstform der Dichtung.

Berlin. Alfred Baeumler.

M. v. Bioecker, Kunstgeschichte im Grundriß. Ein Buch für Schule und
Haus. 8. Auflage, herausgegeben von J. Ziehen. Mit 129 Abbildungen im
Text und 4 Farbtafeln. Leipzig 1917, Verlag von Julius Klinkhardt. VIII und
224 Seiten. 8". .!

Die Kunstgeschichte im Grundriß von M. v. Broecker liegt nunmehr in 8. Auf-
lage vor. Ein Zeichen, daß das Bedürfnis nach diesem für Schule und Haus be-
stimmten Leitfaden immer noch groß ist, wenn auch das Buch als solches längst
durch bessere Werke ähnlicher Art, wie etwa H. Bergeners Grundriß der Kunst-
geschichte, überholt ist.

Die oft ungleiche Durcharbeitung des Büchleins, das in der zweckmäßigen Wahl
der Abbildungen häufig versagt und auch in bezug auf Einteilung und Umfang der
Kapitel manches zu wünschen übrig läßt, zeigen dem kundigeren Leser bald an,
daß ein Pädagoge, kein Kunsthistoriker vom Fach, die neue Auflage übernommen hat:

Die Ausführung der Abbildungen ist für einen Grundriß außerordentlich be-
friedigend. Dagegen ist zu beanstanden, daß Raffael mit sechs, Michelagniolo mit fünf,
Dürer hingegen nur mit vier Stücken vertreten ist. Das widerspricht der Absicht des
Buches, die deutsche Kunst hervorzuheben. In einem solchen Buch sollte z. B. Dürers
Apostelbild nicht fehlen. : '■

Auch sonst ist die Wahl der Abbildungen etwas willkürlich. Von Rembrandt
sind drei Blätter vorhanden: das Hundertguldenblatt, die Nachtwache und das Bild
einer alten Frau. Mir scheint, die Anatomie, die im Thema dem Hundertguldenblatt
ähnliche, in seelischer Hinsicht aber sehr viel tiefer empfundene und feiner durch-
dachte Radierung des predigenden Christus, und die Vision des Daniel oder der
Segen Jakobs hätten mit der Nachtwache vereint ein viel charakteristischeres Bild
von Rembrandts Persönlichkeit ergeben. Die Rokokoabbildungen beschränken sich
 
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