182 BEMERKUNGEN
gleich ist. Hier wird der triadische Rhythmus der kunstphilosophischen Dialektik
deutlich. Zwei äußerste Pole eines elementaren Dualismus künstlerischer Schaffens-
weisen werden als These und Antithese aufgestellt: der wertmäßige Ideal- und
Höchstfall liegt dann in der Synthese der beiden Einseitigkeiten. Eine ähnliche
kunstphilosophisch-stiltheoretische Denktechnik findet sich vor Hegel schon bei
Schiller, der die wertmäßig höchste Kunstart dort sieht, wo sich naive und sentimen-
talische Schaffensweise in einem höhern synthetischen Dritten aufheben. Dieses Bei-
spiel, das uns die Verwendung des Synthesenbegriffs als einer kunstphilosophischen
Wertkategorie zeigt, soll indes nicht zur Anschauung verleiten, Gentile verwende
diese Denktechnik nur im Bereich axiologischer Fragen. Vielmehr findet sie sich
zur Genüge auch bei der Problematik ontologischer Art.
Für seine Onfologie der Kunst stellen sich drei Hauptfragen dar: Dasein,
Wesen und Ursprung der Kunst; ob die Kunst existiert, was sie ist und weshalb
sie existiert. Diese drei Probleme hängen untereinander aufs engste zusammen;
denn das Ursprungsproblem ist hier selbstverständlich nicht entwicklungstheoretisch-
völkerpsychologisch-prähistorisch, mit einem Wort nicht empirisch-genetisch oder
geschichtlich gefaßt, sondern rein vom systematischen und phänomenologischen
Gesichtspunkt aus gestellt. Die Probleme des Seins und Wesens werden gelöst,
indem der Geist auf die dritte Frage antwortet, „auf die des Weshalb oder des
ersten Grundes oder des Ursprungs; eine Frage, die hinsichtlich des Gedankens
Antwort findet, wenn sein Wesen im Begriff erschaut wird". Die Frage nach der
Existenz der Kunst ist für eine Philosophie der Kunst unerläßlich; denn diejenigen
Ästhetiker, die bloß fragen, was die Kunst, deren Existenz sie ohne weiteres vor-
aussetzen, eigentlich sei, können hinsichtlich der ersten Frage nicht umhin, ein
unbewiesenes Dogma oder eine gegebene Lösung zu übernehmen; eben das aber
ist für eine kritische Philosophie untragbar. Gentile beantwortet die erste Frage
durch eine Konstruktion aus den Bedingungen des Bewußtseins und der funda-
mentalen Struktur des menschlichen Geistes, wobei — dem Charakter des Werks
entsprechend — der Begriff „Bewußtsein" nicht als psychologischer, sondern als
metaphysisch-ontologischer Stammbegriff erscheint. Die zweite Frage wird von
Gentile folgendermaßen beantwortet (wir stellen hier einige seiner Äußerungen zu-
sammen, denn er selbst enthält sich absichtlich der einprägsamen und zusammen-
fassenden Formulierungen): Kunst ist eine autonome und wesentliche Aktivität des
menschlichen Geistes, ist eine geistige Aktivität spezifischer Art, die sich von ande-
ren grundlegenden Aktivitäten des menschlichen Geistes kennzeichnend unterscheidet.
Als diese differentia speeifica wird angegeben, daß die Kunst reines Gefühl sei. Sie
besteht in einer unmittelbaren und dennoch zugleich dialektischen Subjektivität, in
der reinen und subjektiven Form jedes Gedankens, für die Gentile den Namen
Gefühl vorschlägt: Gefühl indes nicht in der „vulgären psychologischen Auffassung",
sondern in einem strengen erkenntnistheoretischen und philosophischen Sinn. Durch
diese erkenntnistheoretische Fassung seines Gefühlsbegriffs glaubt Gentile seine
Ästhetik unterschieden von den Systemen, die noch auf der alten empirisch-psycho-
logischen Gefühlslehre beruhen. Die Kunst ist nicht Ausdruck oder Intuition des
Gefühls, sondern eben das Gefühl selbst. Der künstlerische Charakter eines Werks
trifft, soweit es Kunstwerk ist, mit dem Gefühl zusammen, das es belebt. Die hier
gegebene Begründung und Ableitung der Kunst aus dem Gefühl kommt der Sache
nach mit der von E. Utitz vorgenommenen Wesensbestimmung der Kunst (Kunst
ist Gestaltung auf Gefühlserlebnisse) überein; von der bei Croce zu findenden
Lyrisierung der Kunst ist sie dagegen kennzeichnend abgehoben. Eine weitere
wichtige Bestimmung des Wesens der Kunst wird durch Einführung des Begriffs
gleich ist. Hier wird der triadische Rhythmus der kunstphilosophischen Dialektik
deutlich. Zwei äußerste Pole eines elementaren Dualismus künstlerischer Schaffens-
weisen werden als These und Antithese aufgestellt: der wertmäßige Ideal- und
Höchstfall liegt dann in der Synthese der beiden Einseitigkeiten. Eine ähnliche
kunstphilosophisch-stiltheoretische Denktechnik findet sich vor Hegel schon bei
Schiller, der die wertmäßig höchste Kunstart dort sieht, wo sich naive und sentimen-
talische Schaffensweise in einem höhern synthetischen Dritten aufheben. Dieses Bei-
spiel, das uns die Verwendung des Synthesenbegriffs als einer kunstphilosophischen
Wertkategorie zeigt, soll indes nicht zur Anschauung verleiten, Gentile verwende
diese Denktechnik nur im Bereich axiologischer Fragen. Vielmehr findet sie sich
zur Genüge auch bei der Problematik ontologischer Art.
Für seine Onfologie der Kunst stellen sich drei Hauptfragen dar: Dasein,
Wesen und Ursprung der Kunst; ob die Kunst existiert, was sie ist und weshalb
sie existiert. Diese drei Probleme hängen untereinander aufs engste zusammen;
denn das Ursprungsproblem ist hier selbstverständlich nicht entwicklungstheoretisch-
völkerpsychologisch-prähistorisch, mit einem Wort nicht empirisch-genetisch oder
geschichtlich gefaßt, sondern rein vom systematischen und phänomenologischen
Gesichtspunkt aus gestellt. Die Probleme des Seins und Wesens werden gelöst,
indem der Geist auf die dritte Frage antwortet, „auf die des Weshalb oder des
ersten Grundes oder des Ursprungs; eine Frage, die hinsichtlich des Gedankens
Antwort findet, wenn sein Wesen im Begriff erschaut wird". Die Frage nach der
Existenz der Kunst ist für eine Philosophie der Kunst unerläßlich; denn diejenigen
Ästhetiker, die bloß fragen, was die Kunst, deren Existenz sie ohne weiteres vor-
aussetzen, eigentlich sei, können hinsichtlich der ersten Frage nicht umhin, ein
unbewiesenes Dogma oder eine gegebene Lösung zu übernehmen; eben das aber
ist für eine kritische Philosophie untragbar. Gentile beantwortet die erste Frage
durch eine Konstruktion aus den Bedingungen des Bewußtseins und der funda-
mentalen Struktur des menschlichen Geistes, wobei — dem Charakter des Werks
entsprechend — der Begriff „Bewußtsein" nicht als psychologischer, sondern als
metaphysisch-ontologischer Stammbegriff erscheint. Die zweite Frage wird von
Gentile folgendermaßen beantwortet (wir stellen hier einige seiner Äußerungen zu-
sammen, denn er selbst enthält sich absichtlich der einprägsamen und zusammen-
fassenden Formulierungen): Kunst ist eine autonome und wesentliche Aktivität des
menschlichen Geistes, ist eine geistige Aktivität spezifischer Art, die sich von ande-
ren grundlegenden Aktivitäten des menschlichen Geistes kennzeichnend unterscheidet.
Als diese differentia speeifica wird angegeben, daß die Kunst reines Gefühl sei. Sie
besteht in einer unmittelbaren und dennoch zugleich dialektischen Subjektivität, in
der reinen und subjektiven Form jedes Gedankens, für die Gentile den Namen
Gefühl vorschlägt: Gefühl indes nicht in der „vulgären psychologischen Auffassung",
sondern in einem strengen erkenntnistheoretischen und philosophischen Sinn. Durch
diese erkenntnistheoretische Fassung seines Gefühlsbegriffs glaubt Gentile seine
Ästhetik unterschieden von den Systemen, die noch auf der alten empirisch-psycho-
logischen Gefühlslehre beruhen. Die Kunst ist nicht Ausdruck oder Intuition des
Gefühls, sondern eben das Gefühl selbst. Der künstlerische Charakter eines Werks
trifft, soweit es Kunstwerk ist, mit dem Gefühl zusammen, das es belebt. Die hier
gegebene Begründung und Ableitung der Kunst aus dem Gefühl kommt der Sache
nach mit der von E. Utitz vorgenommenen Wesensbestimmung der Kunst (Kunst
ist Gestaltung auf Gefühlserlebnisse) überein; von der bei Croce zu findenden
Lyrisierung der Kunst ist sie dagegen kennzeichnend abgehoben. Eine weitere
wichtige Bestimmung des Wesens der Kunst wird durch Einführung des Begriffs